Hrdina (Der Held)

Titel:
Hrdina (Der Held)

Autor:

Jozef Gregor-Tajovský (18. Oktober 1874 in Tajov, Slowakei - 20. Mai 1940 in Bratislava, Slowakei)
Politische Bedeutung:

Politisch engagiert, völkische, pro-slowakische Orientierung, Gegner der Magyarisierungspolitik (1912 stellvertretender Vorsitzender der Slowakischen Nationalpartei, 1914 Redaktor der Zeitung Národný hlásnik u.a. )

Perspektive:
Kriegserlebnis:

 Ja, als Soldat an der Ostfront.

Vorkommen von autobiographischen Elementen im Text:

Ja. Ähnlich wie die Hauptfigur Janko wurde Gregor-Tajovský am 20.7.1915 zum Militärdienst berufen (zuerst rückte er nach Trenčín (Trentschin) ein, später nach Bratislava) Am 10.8.1914 ging er auf die russische Front, wo er am 29.12. (bei Dobropole) desertierte und sich gefangen nehmen ließ, was der Handlung des Protagonisten entspricht. In der Hauptfigur werden Gregor-Tajovskýs pro-slowakische Orientierung und politische sowie soziopolitische Einstellungen verkörpert. Am 1.5.1916 meldete sich Gregor-Tajovský bei den Tschechoslowakischen Truppen und arbeitete danach für den tschechoslowakischen Aufruhr. Während der Zeit, die der Autor in Kiew verbrachte, wurde, ähnlich wie der Sohn der Hauptfigur, seine Tochter geboren.  

Bibliographie

Hrdina (Der Held)
Erscheinungsjahr, Auflage:
1938, 1. Aufführung
Verlag, Ort:
Matica slovenská, Turčianský Sv. Martin
Seitenzahl:
86
Gattung:
Drama
Darstellungstyp:

 Repräsentationstyp.

Paratexte:

Keine.

Struktur:

Formale Charakteristik des Werkes:

Ein geschlossenes Drama in 5 Akten, die der Freytagschen Pyramide entsprechen, wobei der letzte Akt eine Versöhnung beinhaltet; viele Regieanweisungen.  

Eingliederung von Dokumenten / Medien / Bilder:

Ja - im ganzen Drama zwei markante Stellen. Erstens: ein Gebet aus dem Gebetsbuch „Nábožné výjevy 1850“ („Religiöse Szenen 1850“), (im Gegensatz zum Rest des Spiels im Dialekt) (S. 379), außerdem weitere Gebete und biblische Anspielungen, was auf die strenge Religiosität der Protagonisten hindeutet. Zweitens werden konkrete Büchertiteln erwähnt – Spevy (Gesänge) von Samo Chalupka, „Spod jarma“ („Unter dem Joch hervor“) von Svetozár Hurban-Vajanský und „Venček národných“ („Volksliederkränzlein“), womit höchstwahrscheinlich Veniec národných piesní slovenských (1862) von Michal Chrástek oder Veniec slovenských národných piesní (1911) von Jozef Škultéty gemeint wird.

„Vezmem, čo ma za ne zo škôl vyhodili: Chalupkove, Bottove Spevy, Vajanského Spod jarma, Venček národných ... “

(„Ich nehme die (Bücher), für die ich aus der Schule entlassen wurde. Spevy von Chalupka und Botto, Vajanskýs Von dem Joch, Volksliederkränzlein ... “  S. 367)

Die Auswahl der Bücher ist als eine Anspielung an die Situation in der damaligen Slowakei zu begreifen, da es sich um nationalistische Autoren bzw. um Bücher von nationalistischen Schriftstellern handelt, die in den magyiarisierten slowakischen Schulen verboten wurden.  

Raum:

Geographischer Raum:

Die Handlung wird größtenteils ins slowakisches Dorf Hrubé Hory eingesetzt. Hier spielt sich – überwiegend im Haus der Familie Michálik, im ihren Hof oder in der Nähe – der I., II., IV. und V. Akt ab. Der III. Akt ist in einen Wald auf der italienischen Front eingesetzt.   

Umfang des Spielraumes:

 Hinterland/Südfront.

Zeit:

Die Jahre 1918 – 1919. Es kommen sowohl direkte als auch indirekte Zeitangaben vor. Die Handlung lässt sich auf die Zeit zwischen dem Frühling 1918 und dem Herbst 1919 bestimmen.  

Fremdenbilder:

Feindbild:

Für das Verständnis des Spiels ist eine gewisse Kenntnis der sozialen Stratifikation der Gesellschaft im zeitgenössischen dörflichen Milieu wichtig, weil dadurch die Rezeption des Feindbildes/Freundbildes variiert. Dem einfachen slowakischen Volk, zu dem auch der Protagonist (selber ungarischer Abstammung) gehört, steht die höhere Gesellschaftsschicht gegenüber, die die Offiziere und Angehörigen der sozial stärkeren Kreise umfasst. Zu diesen sind weiterhin auch die durch Gregor-Tajovský kritisierten entnationalisierten Slowaken zuzuordnen, die sich eher als Ungarn fühlen und die zu den Feinden zählen. Die antagonistische Stellung der beiden Gesellschaftsschichten wird allerdings nicht schwarz-weiß dargestellt, da es in beiden Gruppen jeweils Einzelne gibt die mit den anderen sympathisieren. Diese Einstellung kommt in der Figur des Notars zum Ausdruck, der trotz seiner höheren Gesellschaftsstellung mit dem einfachen Volk Mitleid hat.

Als Feind werden neben den Österreichern auch alle weiteren Verfechter Österreich-Ungarns dargestellt. Zu diesen zählen auch die entnationalisierten Slowaken, die während des Ersten Weltkriegs nicht für die Selbstständigkeit der Slowakei kämpfen wollen.

JANKO: Keď zvedeli, že istý úsek frontu zaujali sme my, Čechoslováci, legionári, besnelo sa ich komando, dali chytať, na cestách vešať bratov, týždeň nechávali ich visieť na šibeniciach, sľubovali dovolené, peniaze, metále a konečne pripravili útok na nás. Ja som sa drel dopredu, ako ste mi, otec, nakladali, ako mi duch môj kázal. Veď sme išli vydobývať slobodu človeku, národu. Človek má právo byť človekom, nie otrokom. Zaskočili ma traja, zrazili a vytrhli… vytrhli mi pušku a čo chcela náhoda — dvoch vojakov poslal kaprál ďalej v boj — a na šibenicu odvádzal ma sám Samo Šúrik. Zastavil som ho, krvou srdca mu líčil naše nádeje, zval ho na našu stranu… rehotal sa mi a puškou ma poháňal na šibeň. Neišlo mi o tú hanebnú smrť… veď ju posvätili toľkí bratia! Ale do mňa taká zlosť vstúpila nad tým otrokom, ktorý chcel z odmeny dať ma odfotografovať obeseného a vám poslať… že som mu vytrhol pušku a ho preklal a v jeho plášti, s jeho puškou prebil sa nazad k bratom. Za to nosím toto vyznamenanie. Či právom, otec? Povedzte mi, povedzte!

 

( „Als sie erfuhren, dass wir, Tschechoslowaken, einen bestimmten Teil der Front besetzt haben, begann ihr Kommando zu toben, sie befahlen Leute zu fangen und unsere Brüder zu erhängen, die dann eine Woche an den Galgen hängen sollten. Sie versprachen Urlaub, Geld, Auszeichnungen und schließlich haben sie einen Angriff gegen uns vorbereitet. Ich drang nach vorne, wie Sie mir, Vater, geraten hatten, und wie mir meine eigene Seele riet. Wir wollten doch die Freiheit für unsere Leute, unsere Nation erkämpfen. Man hat das Recht, ein Mensch zu sein, nicht ein Sklave. Drei Männer griffen mich an, schlugen mich zum Boden und rissen… mein Gewehr rissen sie mir aus den Händen und was der Zufall nicht wollte – zwei von diesen Soldaten schickte der Korporal wieder auf die Front – und auf den Galgen fuhr mich Samo Šúrik selbst. Ich hielt ihn auf, mit meines Herzens Blut schilderte ich ihm unsere Hoffnung, ich versuchte ihn zu überzeugen, dass er auf unsere Seite übergeht… er lachte mich nur aus, verspottete mich und trieb mich mit seinem Gewehr auf den Galgen. An den schändlichen Tod ging mir nichts an – so ein Tod wäre doch durch das Blut vieler meiner gefallenen Brüder gesegnet. Aber ich wurde des Sklaven wegen so wütend, der sogar ein Bild von mir – auf dem Galgen hängend – aufnehmen, und es Ihnen, Vater, zuschicken wollte… dass ich ihm sein Gewehr ausriss, und ihn mit diesem umbrachte und in seinem Mantel drang ich dann zu meinen Brüdern zurück. Dafür trage ich diese Auszeichnung. Ob ich Recht habe, eine solche Auszeichnung zu tragen, müssen Sie mir Sie, Vater, sagen!"  S. 409)

Freundbild:

Zu den befreundeten Nationen zählen v.a. die Tschechen („Brüder“ genannt) sowie die Russen, derer Armee die Habsburger Monarchie bekämpft. Den Slowaken, die desertieren und von den Russen gefangen genommen werden, geht es dem Text nach in der russischen Gefangenschaft besser als in der österreich-ungarischen Armee.

„Keď sa ti ukáže možnosť, zbehni! To je pre nás zotročených jediná cesta.

( „Wenn du eine Möglichkeit bekommst, desertiere! Das ist für uns, Versklavte, der einzige Weg." ) S. 368

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„EVA: To ako že je už v zajatí…? Veď že je tam poniektorým dobre, tak píšu…

ANKA: Nuž keď sa poddal, hádam je už v zajatí a je mu dobre. A môj muž, somár, nejde. On sa musí biť „za kráľa a uhorskú…“

 

( EVA: Heißt das, dass er schon in der Gefangenschaft ist ... ? Manche schreiben, dass es da einigen auch sehr gut geht ...

ANKA: Na, wenn er sich schon ergab, glaube ich, dass er bereits in der Gefangenschaft ist und dass es ihm dort gut geht. Und mein Mann, der Dummkopf, will sich nicht ergeben. Er will sich für den König und für Ungarn schlagen…) S. 384

Zivilbevölkerung:

Im Zusammenhang mit den politischen Ansichten können zwei Gruppen unterschieden werden. Einerseits die pro-slowakisch orientierten, den niedrigeren Ständen zugehörigen Slowaken, andererseits die entnationalisierten Slowaken, die sich schon den Magyariesierungstendenzen gefügt haben. Die erste Gruppe, die die Mehrheit der slowakischen Nation vertritt, widersteht der Sprachpolitik (Österreich)-Ungarns und stellt sich der Stellung der slowakischen Nation in der Monarchie kritisch gegenüber. Den Gegenpol bildet das antagonistische Gesellschaftsteil, d. h. diejenigen, die die Monarchie und die damit verbundene Magyarisierung der Nation unterstützen.

„MIHÁLIK: Chodíš už do školy...?

ANKA: Len na úvody. Ale veršíky aké vie! A po uhorsky! Nože, no! Karolko, zarečni ujčekovi!

KAROLKO: (krčí hlavou a zdráha sa).

ŠÚRIK(mu napovedá šepmo do ucha).

MIHÁLIK: A slovenské vieš?

ANKA: To sa neučia ... Ujček! V meste!

MIHÁLIK: Chyba! To je tá apponiovská panská výchova, zvrátená ... “

 

( „MIHÁLIK: Besuchst du schon die Schule?

ANKA: Nur die Einführungen. Aber Gedichte kann er schon rezitieren! Und auf Ungarisch! Na, Karolko. Rezitiere etwas dem Onkel.

KAROLKO: (Schüttelt seinen Kopf und zögert.)

ŠÚRIK (flüstert ihm die ersten Worte ins Ohr).

MIHÁLIK: Und slowakische? Kennst du solche?

ANKA: Das wird ihnen nicht beigebracht ... Onkel. Nicht in der Stadt.

MIHÁLIK: Was für einen Fehler! Die verdorbene herrische Erziehung von Apponyi…“ ) S. 373

Intertextualität:
Einstellung zum Krieg:

Der Krieg wird je nach der sozialen Klasse der einzelnen Protagonisten unterschiedlich wahrgenommen, die Aussage des Dramas ist jedenfalls eine Ablehnung des Krieges. Das liegt v.a. daran, dass der Krieg von den Slowaken als eine rein österreichische bzw. ungarische Angelegenheit betrachtet wird, für die die Slowaken weder ihr Besitz noch ihr Leben zu opfern bereit sind. Für die national bewussten Slowaken scheint es dementsprechend undenkbar, an dem österreichischen Krieg teilzunehmen.

„Ale čo mám z toho víťazstva cisárov a kráľov? Otec, ja za cisára a grófa Apponiho ani vrany nezastrelím, nie aby som ľudí strieľal.“

( „Und was bringt mir ein Sieg der Kaiser und der Könige? Vater, ich werde für den Kaiser und Graf Apponyi nicht einmal eine Krähe erschießen, geschweige denn Menschen.“ ) S. 367

„Za stáročné veľkopanské poddanstvo a násilie – bojovať, biť sa, umierať – bol by najväčší nerozum a hriech na chudobe ... Škoda našej slovenskej krvi namárno vyliatej. Tá volá o pomstu.“

( „Für das unsere jahrhundertelange Joch und für die Gewalt zu kämpfen, zu sterben – das wäre der größte Unsinn und größte Sünde, die den Armen angetan werden könnte ... es wäre Schade um unser slowakisches, umsonst vergossenes Blut. Das Blut schreit nach einer Rache.“ ) S. 368

Kritisiert wird die Tatsache, dass die Slowaken auf der Seite Österreich-Ungarns kämpfen sollen, für die Monarchie also, die die Slowaken unterdrückt. Weniger, jedoch positiv kommt auch die Meinung zum Ausdruck, der Krieg sei eine Gelegenheit, sich durch Desertion den tschechoslowakischen Truppen anzuschließen und gegen die Mittelmächte/Österreich-Ungarn für die slowakische Freiheit zu kämpfen.

„JANKO: Slováci a všetci zhrbení, čo otročíte uhorskej vláde, mali ste už byť s nami. Myšlienka slobody vôbec a slobody našej ťa nepohne?

ŠÚRIK: Mne je jedno, čo aj čertovi, nielen uhorskej vláde slúžiť, nech ma len platí… Ber sa!

JANKO: Ani trošku ma nevieš ospravedlniť v svojej hlave? A môjho otca a svojho otca, poddaných dedov našich? Náš spoločný rod, našu zem, reč a pieseň, čo mne i tebe nad kolískou matere spievali? S ňou sme mládenčili?

ŠÚRIK: A koľkože vás je? Ako to vyhrať chcete?

JANKO: Dosť! S nami sú všetky demokracie sveta, aj Amerika!

ŠÚRIK: To bije sa všetko za tvoj malý národ?

JANKO: I tvoj, Samo, i tvoj malý národ. A od Bavorska po Užhorod je náš národ už väčší. A bijú sa Juhoslávci, Poliaci, Rumuni a Rusi bili sa tiež. A my v právach ožobráčení Slováci a ukracovaní bratia Česi budeme slobodní, rovní iným ľuďom a národom, keď to väzenie národov našich rozvalíme. Budeme mať svoj štát, svoju republiku! Už nás uznávajú Taliansko, Francúzsko, Anglicko, Amerika… Pochop, brate…!

ŠÚRIK (nevrlo): Čo pochopiť? Ja som sa mal dobre, nebyť vojny.

JANKO: Na tele dobre, ale ducha máš spútaného. Poď so mnou nazad, zaplesáš, čo počuješ!“

 

( „JANKO: Slowaken und alle Erniedrigten, die für die ungarische Regierung nur Sklaven sind. Ihr alle sollten schon auf unserer Seite gewesen sein. Der Gedanke der allgemeinen Freiheit und unserer Freiheit, bewegt und begeistert der dich gar nicht?!

ŠÚRIK: Mir ist es egal, wem ich dienen werde, und wäre es der Teufe selbst ... wichtig ist mir, dass ich bezahlt werde ... Los!

JANKO: Hast du in deinem Kopf wirklich kein Verständnis und keine Entschuldigung für mich? Und für meinen und deinen Vater, unseren Stamm, unsere untergebenen Urväter? Hast du wirklich kein Verständnis und Gefühl für unsere gemeinsame Abstammung, für unseres Land, unsere Sprache und Lieder, die mir und dir unsere Mütter über der Wiege sangen? Mit den sind wir aufgewachsen.

ŠÚRIK: Und wie viele seid ihr denn? Wie wollen sie gewinnen?

JANKO: Wir sind genug! Auf unserer Seite sind alle Demokratien der Welt, auch Amerika!

ŠÚRIK: Das alles kämpft für deine kleine Nation?

JANKO: Auch für deine, Samo, auch für deine kleine Nation. Und von Bayern bis zum Uschgorod wird unsere Nation schon größer. Es kämpfen Jugoslawen, Polen, Rumänen, Russen haben auch bereits gekämpft. Und wir, um die Rechte beraubte Slowaken und unterdrückte Brüder Tschechen, werden den anderen Leuten und Nationen in der Welt gleic sein, wenn wir diesen Kerker niederreißen. Wir werden unseren Staat, unsere Republik haben! Jetzt schon werden wir von Italien, Frankreich, England und Amerika anerkannt. Begreife das endlich, Bruder…!

ŠÚRIK (verdrießlich): Begreifen was? Mir ginge es gut ... wenn es keinen Krieg gäbe.

JANKO: Deinem Leib ginge es gut, aber dein Geist ist gefesselt. Komm mit mir zurück, du wirst jubeln, wenn du das alles hörst und erlebst!“ ) S. 393

Sinnangebote:

Der Krieg wird als Möglichkeit gesehen, auf die Seite des offiziellen Feindes (Russland) zu überlaufen und gegen Österreich-Ungarn für den selbstständigen Slowakischen bzw. Tschechoslowakischen Staat zu kämpfen.