Moralista (Der Moralist).

Titel:
Moralista (Der Moralist).

Autor:

Jaromír John (16. April 1882 in Klatovy, Böhmen - 24. April 1952 in Jaroměř, Böhmen)
Politische Bedeutung:

Politisch nicht tätig.

Perspektive:
Kriegserlebnis:

Ja – der Autor kämpfte in den Jahren 1914-1916 an der Balkanfront.

Vorkommen von autobiographischen Elementen im Text:

Wahrscheinlich ja, der Text soll die authentischen Erlebnisse des Autors in der österreichischen Armee schildern.

Bibliographie

Večery na slamníku: Sólové výstupy, zpovědi, banality a sentimentality („Abende auf dem Strohsack: Soloauftritte, Bekenntnisse, Banalitäten und Sentimentalitäten“)
Erscheinungsjahr, Auflage:
1962, 1. Auflage im betreffenden Verlag; Erstauflage 1920.
Verlag, Ort:
Státní nakladatelstí krásné literatury a umění., Prag
Seitenzahl:
330
Gattung:
Epik
Darstellungstyp:

Repräsentationstyp.

Paratexte:

(Betrifft die ganze Erzählsammlung): Ein einführendes Zitat ohne Bezug zum Krieg; ein Nachwort von Karel Nový und editorische Notiz von Helena Šmahelová, S. 329-332.

Struktur:

Formale Charakteristik des Werkes:

Homodiegetischer Erzähler, feste interne Fokalisierung; keine weitere Gliederung.  

Eingliederung von Dokumenten / Medien / Bilder:

-

Raum:

Geographischer Raum:

Der Handlungsraum des Textes wird nicht näher spezifiziert, es handelt sich den Anzeichen im Text nach um eine Kaserne der österreichischen Armee. Der Ort spielt in der Geschichte keine wichtige Rolle.

Umfang des Spielraumes:

Hinterland.

Zeit:

Keine genaue Zeitangabe. Die Erzählung  umfasst mehrere kleine Geschichten, die nicht zeitlich, sondern thematisch kohärent durch Überlegungen über das vulgäre Verhalten in der österreichisch-ungarischen Armee sind.

Fremdenbilder:

Feindbild:

Die verfeindeten Nationen werden auf keinerlei Weise thematisiert.

Freundbild:

Der Text thematisiert die Verhältnisse innerhalb der österreichisch-ungarischen Armee und kritisiert in einem ironischen Ton v. a. die Art und Weise, auf welche in dieser kommuniziert wird. Der Text will keineswegs die Autorität der Übergeordneten in Frage stellen, sondern vielmehr auf eine humorvolle Weise zeigen, dass das grobe Verhalten von Seiten der Offiziere nicht selten zu unnötigen Missverständnissen führt und auch unter den einfachen Soldaten ansteckend wirkt.

„Tak třeba strážmistr stojí s bičem uprostřed jízdárny. Jezdíme jako v kolotoči. Koně se ho báli – pohnul rukou – kobyla se zbláznila.

Lítáš na koni jako pošišvor, držíš se koleny, táhneš uzdu […] najednou ztratíš třmeny a pak už čekáš na chvíli, kdy jistě vyletíš ze sedla, a přemýšlíš, jak by ses na matičku zem, do pilin, co nejšikovněji položil. […] Toť se rozumí, nadávkám neujdeš. […] ‚Ty ornáte, ty vyvrheli erární, ty zatra – zatra – zatracená paškvaroʻ […]

‚Haaalt! Teď slez, mordione, s koně…poď jsem ke mně a podívej se sám na sebe, jak hloupě na koni sedíšʻ …Slezl jsem s koně, jak poručil, šel k němu do středu manéže a dívám se sám na sebe, teda na prázdnýho valacha, jak poručil…‚Tfuj,ʻ odpliv si a nechal mě hodinu stát. […] Často jsem o této příhodě přemýšlel. Pánové! Musí se tak sprostě nadávat? Vždyť se v mírnosti všechno lepší spraví. Kdyby strážistr řekl: ‚Pane Faltejsku… upozorňuji vás …nesedíte v sedle dobře… zkuste takhle… nakloňte se dozadu… ruce k tělu… šenkle zpět […] To by byla jiná. Každý by rád poslech, s chutí!“ S. 64f.

(„Steht zum Beispiel der Wachtmeister mit einer Peitsche in der Mitte der Reithalle. Wir reiten wie auf einem Karussell. Die Pferde fürchten sich vor ihm – er macht eine Handbewegung – und die Stute wird verrückt.

Man fliegt auf dem Pferd wir ein Irrer, hält sich mit den Knien, zieht an den Zügeln […] verliert plötzlich die Steigbügel und wartet dann nur noch auf den Moment, in dem man ganz sicher aus dem Sattel fliegt, und denkt nach, wie man sich am geschicktesten auf die Mutter Erde, in die Holzspäne, legen könnte. Versteht sich, dass man dem Schimpfen nicht entgeht. […] ‚Du Schabracke, du Abschaum des Ärars, du verdammter Drecksackʻ […]

‚Haaalt! Geh jetzt runter vom Pferd, du Plumpsack…komm her zu mir und schau dich selbst an, wie blöd du auf dem Pferd sitzestʻ…Ich stieg vom Pferd runter, wie er befahl, trat zu ihm in die Mitte der Manege und schaute mir selber, beziehungsweise dem leeren Wallach zu, wie er befahl… ‚Pfui,ʻ spuckte er verächtlich aus und ließ mich dort eine Stunde stehen. […] Häufig dachte ich über diese Geschichte nach. Meine Herren! Muss man denn so vulgär sein? In Ruhe lässt sich doch alles besser regeln. Hätte der Wachtmeister gesagt: ‚Herr Faltejsek… ich mache Sie darauf aufmerksam… sie sitzen nicht richtig in dem Sattel… versuchen Sie es so… beugen Sie sich nach hinten… die Arme zum Leib… die Schenkel zurück […] Das wäre was anderes. Jeder würde gehorchen und zwar gern!“)

„Přijdou dva vojáci s vozejčkem. […] ‚Pane šikovateli […] poslušně meldujem, že jsme si přijeli s vozejčkem pro tu maršrútu…ʻ Vypoulil oči a začal mrkat, jakoby se chtěl vzpamatovat. ‚Jestli je to těžký, tak tadyhle Jenda mi pomůže…ʻ ‚Basama kuťafája –! uhodil pěstí na stůl. […] Vidíte, pánové, když se návává, všechno je horší. Kdyby jim šikovatel řekl: ‚Ale – holoubkové – k čemu vozejček – dyk je to arch papíru – a na něm napsáno – že můžete jeti tam – onam- služební cestou – zadarmo – kreditiert… No tak! Chápete? Nu a – povezete arch papíru na vozejčku? No tak vidíte, blázínkovéʻ […] Muži by celý život vzpomínali, jak se zmýlili, jak byli poučeni, a víckrát by pro maršrútu s vozejčkem nejeli.

Než jsem moh mládencům takhlenc všechno vysvětlit, volal mě pan hejtman do prvního poschodí a tak se stalo, že hoši přijeli pro maršrútu s vozejčkem druhej den zas. Ty nadávky se stydím vopakovat. Měl bych smrtelnej hřích.“ S. 67f.

(„Zwei Soldaten kommen mit einem Wägelchen […] ‚Herr Feldwebel […] wir melden gehorsam, dass wir mit einem Wägelchen die Marschroute abholen kommen…ʻ Der Feldwebel riss die Augen auf und begann zu zwinkern, als ob er seine Fassung wiederfinden müsste. ‚Der Jenda, der kann mir ja helfen, falls es schwer ist…ʻ ‚Basama kuťafája –! [ung. etwa „Verdammte Hunde – !“, Anm. des Artikelautors] schlug er mit der Faust auf den Tisch.

Sehen Sie, meine Herren, wenn man schimpft, wird alles nur schlimmer. Hätte der Feldwebel ihnen gesagt: ‚Aber – meine Lieben – wozu denn ein Wägelchen – es ist doch nur ein Blatt Papier – und darauf steht – dass ihr dahin – oder dahin – auf eine Dienstreise – umsonst – kreiditiert – fahren dürfen… Na also! Versteht ihr? Und – werdet ihr denn ein Blatt Papier in einem Wägelchen fahren? Na seht ihr, ihr Dummerchenʻ […]  Die Männer hätten sich ihr Leben lang daran erinnert, wie sie sich irrten, wie sie belehrt wurden, und würden eine Marschroute nie mehr mit einem Wägelchen abholen.

Bevor ich es den Jungs alles auf diese Weise erklären konnte, wurde ich vom Hauptmann in den ersten Stock gerufen und so passierte es, dass die Jungs am nächsten Tag die Marschroute wieder mit einem Wägelchen abholen kamen. Ich schäme mich, die Schimpfwörter zu wiederholen. Das wäre eine Todsünde.“)

Das Bild der einfachen tschechischen Soldaten, die als derb und etwas dümmlich dargestellt werden, sowie die Sprache der Erzählung, ähneln stark der berühmten Tetralogie Der brave Soldat Schwejk von Jaroslav Hašek. Die Erzählung von Jaromír John ist allerdings bereits ein Jahr früher als der Roman entstanden.

Zivilbevölkerung:

-

Intertextualität:

-

Einstellung zum Krieg:

Negativ. Der Krieg wird von den Soldaten schon allein deswegen negativ gesehen, weil sie ihre Heimat und ihre Familien verlassen mussten. Die Derbheit, in der die einfachen Soldaten sowie Offiziere miteinander umgehen, ist die Ursache für den allgemeinen sittlichen Verfall der Soldaten. Dies wird im Text durch die Figur eines Feldkuraten hervorgehoben, der zwar Anstand predigt und die Vulgarität der Soldaten kritisiert, im nächsten Moment jedoch selber seinen Schneider ausschimpft. Als Schlusspointe des Textes wird schließlich entpuppt, dass auch der Protagonist, der titelgebende Moralist, dessen Überlegungen und Mahnungen zum höflichen Verhalten die eigentliche Erzählung bilden, keine Ausnahme unter den anderen Soldaten darstellt.

„Tak se teda s panem kurátem vždycky ráno trochu bavíme. […] ‚Láti se nemá,ʻ pravil pak kurát, ‚je to těžký hřích, neslušnost člověka nedůstojná. […] jsme lidé, jež Bůh obdařil rozumem, narozdíl od hovad němých, nerozumných. Vy, mužové, vojáci, […] Sotva se vzdálíte od posvátného krbu rodinného a shromáždíte se za vznešeným úmyslem, abyste hájili rakouskou vlast, propadáte hromadně neřestem, obžerství, smistvu. Boha se nebojíte, do kostela aby vás hnal strážema nebo rozdával retka, to je s váma svízel.ʻ“ S. 68f.

(„Jeden Morgen sprechen wir mit dem Herrn Kurat eine Weile […] ‚Fluchen soll man nicht.ʻ sagte dann der Kurat, ‚es ist eine schwere Sünde, eine Unanständigkeit, eines Menschen nicht würdig. […] wir sind Menschen, die der Gott mit Vernunft versah, im Unterschied zu den stummen unvernünftigen Viechern. Ihr Männer, Soldaten, […] sobald ihr euch von dem heiligen Familienherd entfernt und sich zu dem edlen Zweck sammelt, das österreichische Land zu verteidigen, treibt scharenweise Laster, Völlerei, Unzucht. Vor dem Gott habt ihr keine Furcht, in die Kirche muss ihr von der Wache gejagt werden, ist das ein Mühsal mit euch.ʻ“)

„Válkou zhrubly mravy, procitly pudy…i zakrývá si tvář Hospodin pastýř. Kdo se chová hrubě, nadává jako lotři Pilátovi, jako zpustlé žoldnérství římské – sám se vylučuje ze slušné společnosti občanů. Není třeba klnouti a pustě láti. Vím z dějin církevních o setníku, který nelknul, kterého však muži poslouchali na slovo. Mužem tím byl římský setník z Kafarnaum…“ S. 69.

(„Durch den Krieg wurden die Sitten grob, die Triebe wach…Der Herr Gott wendet lieber sein Gesicht ab. Wer sich grob verhält, wie die Schufte Pilats, wie die vergammelten römischen Söldner schimpft – der grenzt sich selber aus der anständigen Bürgergesellschaft aus. Man braucht nicht fluchen und hemmungslos schelten. Aus der Kirchengeschichte kenne ich einen Hauptmann, der nicht schimpfte, dessen Männer jedoch aufs Wort gehorchten. Das war der römische Hauptmann von Kafarnaum…“)

Sinnangebote:

Keine.