Söldner in Sibirien. Erlebnisse eines Sudetendeutschen.

Titel:
Söldner in Sibirien. Erlebnisse eines Sudetendeutschen.

Autor:

Fritz Schwarzer ( 4. April 1891 in Unbekannt. - 18. November 1947 in Unbekannt.)
Politische Bedeutung:

Unbekannt.

Perspektive:
Kriegserlebnis:

Unbekannt.

Vorkommen von autobiographischen Elementen im Text:

Unbekannt.

Bibliographie

Söldner in Sibirien. Erlebnisse eines Sudetendeutschen.
Erscheinungsjahr, Auflage:
1935, 2. Auflage (1. Auflage 1932)
Verlag, Ort:
Verlag Dr. Hermann Eschenhagen, Breslau
Seitenzahl:
200 S.
Gattung:
Epik
Darstellungstyp:

Repräsentationstyp.

Paratexte:

Vorwort des Autors, wo er den autobiographischen Charakter des Buches kundgibt.

Struktur:

Formale Charakteristik des Werkes:

Homodiegetischer Erzähler, feste interne Fokalisierung. Der Roman ist in 3 große Abschnitte Der Weg nach Sibirien, Wir in Sibirien und Die Flucht zurück gegliedert. Der Abschnitt Der Weg nach Sibirien besteht weiter aus zwei kleineren Kapiteln 1914 und 1915. Keine weitere Gliederung.

Eingliederung von Dokumenten / Medien / Bilder:

Nein.

Raum:

Geographischer Raum:

Die mährische Stadt Troppau, dann Wechsel nach Russland auf die Ostfront; mehrere russische Städte auf der Strecke nach und von Sibirien (z. B. Proskurow, Tarniza, Tscheljabinsk, Moskau, Petersburg); dem eigentlichen Kriegsschauplatz auf der Front werden nur wenige Zeilen gewidmet, die Hauptlinie des Romans beschreibt die Gefangenschaft in den Lagern (Strjetensk und Atschinsk); zum Schluss die neu entstandene Tschechoslowakei (Olmütz, Leipnik, Neutitschein).

Umfang des Spielraumes:

Hinterland, Ostfront, russische Gefangenschaft, eine Zugfahrt durch Russland ins Hinterland, Hinterland.

Zeit:

Die Handlungszeit wird sowohl durch direkte Zeitangaben als auch durch historische Ereignisse vermittelt.

„In bester Laune spielen wir am 30. Dezember 1919 in unserem Theater „Die Fledermaus“. (S.98)

 „Wie ein Blick aus heiterem Himmel traf alle der Ausbruch der Revolution. Schon lange ohne Nachrichten, ohne irgendwelche Anzeichen irgendwelcher revolutionärer Umtriebe, überraschte uns der plötzliche Umsturz umso mehr.“ (S.83)

 „Man berichtet diesen, daß der neue große tschechische Staat gegründet wäre, daß die Grenzen des Freiheitsstaates bis dicht an Wien und Dresden heranreichten, Ungarn zum Großteil okkupiert sei, daß bei uns daheim alle Bewohner Böhmens, Mährens und Schlesiens inklusive Deutschen glücklich wären, von der längst innerlich verfaulten Monarchie losgelöst und durch eine demokratische Republik befreit worden zu sein.“ (S.88-89)

Der Anfang des Textes geht an das Jahr 1914 zurück, die Handlung endet einige Jahre nach dem Ende des ersten Weltkrieges mit der Rückkehr der Kriegsgefangenen aus Russland, etwa im Jahre 1920 (genaues Jahr nicht genannt).

Fremdenbilder:

Feindbild:

Der Text gibt zahlreiche Beschreibungen anderer Völker wieder. Der Erzähler als Sudetendeutscher nimmt kritische Stellung vor allem den Reichsdeutschen, Polen und auch den Legionären (nach dem Kriegsende) gegenüber ein. Die Einstellung zum offiziellen Feind Russland ist uneinheitlich, die russischen Soldaten werden manchmal sehr negativ, manchmal als freundlich beschrieben. Es werden eher einzelne Individuen als die russische Armee als ein Ganzes geschildert. Die Russen verändern sich auch infolge der historischen Ereignisse – einen wesentlichen Wandel im russischen Verhalten stellt die Oktoberrevolution dar.

„Wie ein Blick aus heiterem Himmel traf alle der Ausbruch der Revolution. (S.83)

„... Die russischen Offiziere, wieder zur Macht gelangt, suchen stündlich nach verkappten Bolschewiken, ein russischer Fähnrich wird zum Tyrannen der gefangenen Soldaten. Um uns Offiziere kümmert man sich eigentlich wenig. Ja, das Bild hat sich im Vergleich zu Strjetensk geändert. Während dort die gefangenen Soldaten mehr Freiheit als die Offiziere hatten, leichter und oft ungehinderten Zugang zur Stadt erhielten, sorgt in Atschinsk der russische Fähnrich dafür, daß die Soldaten die engste Umgebung ihrer Erdbaracken nicht verlassen. Strenge Instruktionen scheint die Angst diktiert zu haben. Dagegen bekommen wir ohne weiteres Passierscheine zur Stadt, dürfen die Basare aufsuchen und Beziehungen zur russischen Bevölkerung anknüpfen.“ (S.86-87)

Freundbild:

Es wird Kritik an die Reichsdeutschen und die Polen geübt. Die ersteren werden als hochnäsig und unfreundlich, die Polen als Feiglinge geschildert, die nicht richtig kämpfen können und nur die für sie günstige Lage abwarten.

„Zwei reichsdeutsche Offiziere, mit aufgestülpten Mantelkrägen, gehen an uns vorbei. Wir wundern uns nicht mehr über unsere Isolierung. Sie betrachten uns niemals als ihresgleichen, haben nur, speziell jetzt, als Gefangene, ein geringschätzendes Achselzucken für uns übrig. Verständige reichsdeutsche Kameraden, die menschliches Empfinden vor Arroganz stellen, gibt es wenige.“ (S.28)

„Eine Gruppe, um ein mächtiges Feuer gelagert, beginnt dröhnend zu singen. Kein Heimatlied, das seine Flügel schützend und wärmend um uns breitet, wilde, freche Soldatenlieder, deren Echo von weitem widerhallt. Polen! Ja, so waren sie, die Polen. Die kannten wir zur Genüge von der Front. Wenn der erste Schuß fiel, da wickelten sie die Rosenkränze um die Gewehre, schlotterten in den Knien, der Angstschweiß tropfte über ihre Stirnen – des nachts, wenn alles glücklich überstanden war, da bekamen sie erst Kriegsgeist und den richtigen Mut, in Kirchen einzubrechen und Tabernakel zu berauben. Und hier in Rußland, da wimmelte es von Legionären, auch polnischer Herkunft. Sie haßten den Offizier, der deutsch sprach, sie haßten und spien auf die Leute, die ihnen früher zu essen gaben und warteten nur auf eine neue Weltgeschichte, die ihnen gratis und franko, mit dem Blut der andern, ein Königreich in den Schoß warf.“ (S. 26 – 27)

Eine negative Stellung gilt genauso den Legionären, v. a dann den Tschechischen und Ungarischen, die durchgehend als Feinde bezeichnet werden, was sich aus derer antagonistischen Position im Krieg (die tschechische Legion kämpfte im 1. Weltkrieg auf der Seite der Entente gegen die Mittelmächte) ergibt.

„‘Hoffentlich fährt dieser Zug sehr weit. Ich habe Angs vor großen Stationen, sie sollen von Legionären wimmeln. Ich sage dir, das sind alles unsere Feinde.‘ (...)

Eine Patrouille kommt zum Vorschein. Ungarische Legionäre. Und das sind alles Feinde, so sagte mein nächtlicher Begleiter. Er hat recht. Man muß sich hüten.“ (S. 125 – 126)

Zivilbevölkerung:

Es wird v. a. russische Zivilbevölkerung beschrieben. Die Russen werden durchaus positiv und unkritisch als ein einfaches, behilfliches und neugieriges Volk geschildert. Manche russische Bewohner helfen dem Protagonisten bei seiner Flucht aus dem Gefangenenlager zurück in seine Heimat. Die Lebenumstände in Russland werden im Allgemeinen als sehr schlecht dargestellt.

„Unsere Leute werden mit Fragen überschüttet. Bereitwilligst geben sie Auskunft. Die Zivilisten interessieren sich für alle Ereignisse an der Front, erbetteln oder kaufen Dinge österreichischer oder deutscher Herkunft und berichten uns, daß wir in ein schönes Lager kämen...“ (S.41)

„‚Du bist kein Russe, hab‘ keine Angst vor mir, ich werde dich nicht verraten. Sprichst du deutsch?‘ Vor mir steht der kleine Jude und lauscht auf meine Antwort. Ich zähle ihn zu jenen, die in Rußland leiden. Zumindest kann ich Nützliches erfahren. Eine Viertelstunde später sitze ich bei ihm im Zimmer vor Tee und Brot. Er hört aufmerksam den Dornenweg meiner Flucht. Nur selten unterbricht er mich, er versteht die deutsche Sprache gut. Er zeigt Mitleid und redet mir Mut zu. ‚Mein lieber Freund, da bleibt nichts anderes übrig, als zu warten. In Wologda gibt es viele Kriegsgefangene, die nicht weiter konnten, sie sind als Arbeiter beschäftigt. Sonst müßten sie verhungern. Wenn Sie wollen, können Sie die Nacht hier bleiben.‘ (...)“(S.182)

 „Nach Tagen sehe ich mich wieder einmal im Spiegel, ich kann beruhigt sein, ich bin ein echter Russe. Dreckig im Gesicht, an den Händen, schmierig, abgenützt der Mantel, das Gesicht besät mit Stoppeln, das Kopfhaar zerzauster, dichter Pelz. So passe ich ausgezeichnet zu den vielen Männern, die hier am Bahnhof mit den Weibern schäkern.“ (S.178)

Intertextualität:
Einstellung zum Krieg:

Im Laufe des Krieges und der Gefangenschaft nimmt die Heimat des Protagonisten an Bedeutung zu – die Einstellung zum Krieg ist vor allem deswegen negativ, weil die Männer weit weg von ihrem Zuhause sind und jegliche Kontakte zu ihrer Heimat sowie ihren Familien zwanghaft unterbrochen wurden.

Thematisiert wird die im Laufe des Krieges entstehende Veränderung der allgemeinen gesellschaftlichen und menschlichen Werte. Die durch den Krieg verursachte physische sowie psychische Entfernung von der Heimat ist für die Protagonisten nach der Rückkehr aus dem Krieg bzw. aus der Gefangenschaft nicht mehr zu überwinden, da die alten Ordnungen nicht mehr vorhanden sind. Der Zerfall Österreich-Ungarns wird vom Protagonisten dementsprechend mit völliger Verlegeneheit und Orientiertlosigkeit angenommen, da er mit der Entstehung des tschechoslowakischen Staates zugleich den Untergang der alten Heimat bedeutet.

„Die Schienen laufen bereits auf heimatlichem Boden.

Wie haben wir von ihm geträumt, jahrelang um ihn gelitten! Die Sehnsucht zu ihm unstillbar, so hingen wir an ihm, weit draußen im fremden Land, mit allen Fasern unseres Herzens. Ihn einmal wiederzusehen, geheiligte Heimaterde einstmals wieder zu betreten, gab uns den Halt, tausendfachen Schmerz, Entrechtung, Erniedrigung mannhaft zu ertragen.

Wie mühselig war der Weg zu dir, o Heimat! Ein Kreuzweg von vielen Leidensstationen!

Endlich grüßen wir dich! Aber stumm, in wehrloser Verzweiflung – Jauchzen, wie wir wollten, können wir nicht.“ (S. 198 – 199)

 „Als deutsche Stadt habe ich einst Olmütz verlassen. Keine deutsche Aufschrift, tschechische Kommandorufe lehren mich, daß alles anders geworden ist. Erst in Leipnik, wo wir Quarantäne absitzen müssen, sehe ich meine Mutter nach Jahren wieder. Still und gefaßt, so liegen wir uns in den Armen. Unser Herzschlag gilt der alten Heimat.“ (S. 199)

Sinnangebote:

Keine.