Dvanáct apoštolů (Die zwölf Apostel)

Titel:
Dvanáct apoštolů (Die zwölf Apostel)

Autor:

Jaromír John (16. April 1882 in Klatovy, Böhmen - 24. April 1952 in Jaroměř, Böhmen)
Politische Bedeutung:

Politisch nicht tätig.

Perspektive:
Kriegserlebnis:

Ja – der Autor kämpfte in den Jahren 1914-1916 an der Balkanfront.

Vorkommen von autobiographischen Elementen im Text:

Wahrscheinlich ja, der Text soll die authentischen Erlebnisse des Autors an der Balkanfront schildern.

Bibliographie

Večery na slamníku: Sólové výstupy, zpovědi, banality a sentimentality („Abende auf dem Strohsack: Soloauftritte, Bekenntnisse, Banalitäten und Sentimentalitäten“)
Erscheinungsjahr, Auflage:
1962, 1. Auflage im betreffenden Verlag; Erstauflage 1920.
Verlag, Ort:
Státní nakladatelstí krásné literatury a umění., Prag
Seitenzahl:
330
Gattung:
Epik
Darstellungstyp:

Repräsentationstyp.

Paratexte:

(Erzählsammlung Večery na slamníku: Sólové výstupy, zpovědi, banality a sentimentality): ein einführendes Zitat ohne Bezug auf den Krieg; ein Nachwort von Karel Nový und editorische Notiz von Helena Šmahelová, S. 329-332.

Struktur:

Formale Charakteristik des Werkes:

S. 85-90 in der Erzählsammlung; homodiegetischer Erzähler, feste interne Fokalisierung; keine weitere Gliederung.

Eingliederung von Dokumenten / Medien / Bilder:

Nein.

Raum:

Geographischer Raum:

Die Geschichte besteht aus einer Rahmen und einer Binnengeschichte, in den sich der Handlungsort jeweils unterscheidet. Die Binnengeschichte spielt in einer albanischen Berglandschaft, die als gefährlich und unwirtlich geschildert wird. Die Rahmengeschichte umfasst eine Reise aus den Bergen ins Hinterland.

Umfang des Spielraumes:

Balkanfront, Hinterland.

Zeit:

Die Zeit des Geschehens wird weder in der Rahmen- noch in der Binnengeschichte näher bestimmt, die letztere lässt sich allerdings wahrscheinlich in den Winter 1915 einordnen.

Tenkrát nás poslali z Černé Hory přes Djakovo do Albánie. Jeli jsme s horským dělostřelectvem za Srby až k Drači.

(„Damals schickten sie und aus Montenegro über Djakovo nach Albanien. Wir fuhren mit der Bergartillerie den Serben bis nach Drač nach.“) S. 86.

Die Binnengeschichte wird retrospektiv erzählt. Der Impuls zu der Erzählung ergibt sich aus einem Blick auf die Berge während einer Reise, die der Protagonist in der Rahmengeschichte unternimmt. Die Aussicht auf die gebirgige Landschaft erweckt bei dem Erzähler negative Erinnerungen an die Kämpfe in Albanien.

„[…] kam se podívám, vidím hory…jak v Albánii, hrůza člověka obejde.

(„Wohin auch immer ich schaue, überall seh´ ich Berge…wie in Albanien, es graut einem dabei.“ S. 85.)

Fremdenbilder:

Feindbild:

Keine expliziten Bewertungen der Serben. Der Protagonist, ein tschechischer Soldat, nimmt allerdings während der Kämpfe in Albanien in einer Berghütte 12 Serben gefangen. Dadurch, dass sich diese ergeben, verlieren sie den Status des offiziellen Kriegsfeindes, werden jedoch von dem Protagonist trotzdem als minderwertig behandelt und schließlich dem tödlichen Frost ausgeliefert. Da er die Serben nicht in einer anonym verlaufenden Schlacht oder Schießerei sondern aus der unmittelbaren Nähe sterben sieht, empfindet er ihren Tod nicht als einen unvermeidbaren Kriegstod, sondern als einen Mord, was bei ihm später schwere Schuldgefühle  auslöst.

Freundbild:

-

Zivilbevölkerung:

-

Intertextualität:

-

Einstellung zum Krieg:

Eindeutig negativ, der Krieg wird als Ursache physischen sowie psychischen Leidens der Soldaten dargestellt. Die unmenschlichen Bedingungen auf der Balkanfront treiben die auftretenden Figuren – österreichische Soldaten – entweder in den Selbstmord und zum rein egoistischen Verhalten, das das eigene Überleben ermöglicht, nach der Rückkehr aus dem Krieg jedoch schwere seelische Schaden hinterlässt.

V Albánii nejsou cesty. Jde se přese všechno, přes kameny, vodu, sníh nebo roštím a dubinami.

Koně se řítili ze skal.

Sypaly vánice, mrzlo jen praštělo, a nakonec jsme nevěděli, kde jsme, kam jdeme, kudy jdeme.

V údolí tma, dívali jsme se shora  skrze mraky pod námi, snežilo z nich a na nás svítilo slunce – jak falešný dinár.

Kolikrát jsme stáli u strmé skály jako na Martinský stěně a prosili, aby přišel anděl a vysvobodil nás, aby jen anděl přišel a vzal nás všechny k sobě, aby nás navěky vysvobodil.“

(„In Albanien gibt es keine Wege. Man geht über alles, über Steine, über Wasser, über Schnee oder durch Gestrüpp und Eichenwälder.

Pferde stürzten von den Felsen. Schneestürme schütteten, es fror Stein und Bein und wir wussten am Ende nicht mehr, wo wir sind, wohin und wodurch wir gehen.

Vielmals standen wir an dem steilen Hang wie an der Martinswand und baten, dass ein Engel käme und uns alle zu sich nähme, uns für immer erlöste.“) S. 86.

Auf die beschrieben Weise verhält sich auch der Protagonist den ihm ausgelieferten Serben gegenüber – er sichert primär sein eigenes Überleben und verliert dabei allerdings seine Menschlichkeit, indem er die Gefangenen kaltblütig erfrieren lässt. Er bleibt unmittelbar nach diesem Ereignis zuerst völlig gleichgültig, nachdem er jedoch selber verletzt wird, beginnt er unter schweren Schuldgefühlen und Alpträumen zu leiden, die auch nach seiner Rückkehr nach Hause nicht mehr aufhören.

„Ulehl jsem do komory a usnul. Asi za hodinu vzbudil mě řev, praskot a rány z pušek

Vrazím do maštale, vidím ohromný oheň

Koulejí se čičové a křičí.

V slámě vytrousené patrony bouchaly…

Uhasili jsme oheň.

Rozzlobil jsem se.

‚Prokristapána,ʻ myslím si, ‚kdyby tak ta dřevěná maštal shořela, Srbáci sami by shořeli a my bychom se udusili v komoře. Vždyť nemá jiný východ.ʻ

Vyháněl jsem je. Že nedali pozor na oheň.

Nechtěli.

Prosili, ruce vzpínali. ‚Gospo´ne…gospo´ne…molim…pokorno…ʻ

‚Ven – marš – marš!ʻ

Když se nehýbali, vytáhl jsem revolver.

Tu teprve se začali koulet ke dveřím a tam, jeden na druhém jako hromada hýbajících se hadrů, prosili pro boha, pro majku.

 A já srdce neměl.

Jednoho po druhém jsme vynesli za hlavu a nohy – do zimy, do mrazu.

Rozložili jsme je do kruhu jako dvanáct apoštolů…rozdělali jim oheň …nanosili suchého drva…aby měli do rána…

Smál jsem se, jak potom naši koně v teplé stáji po Srbech si libovali,[…]

K poledni jsem vyšel se na Srby podívat. Kolem vyhaslého ohniště leželo dvanáct zmrzlých Srbů. […]

Pokrčil jsem rameny, mávl rukou a druhý den jsem o ničem nevěděl.

Ale v kotorské nemocnici jsem si na všechno vzpomněl…viděl jsem nohy a opánky toho…hlavu a zaťaté pěsti onoho…

Mlčíte? Vím, co si myslíte.

Spát nemohu. Já je zabil […]“

(„Ich legte mich in die Kammer und schlief ein.

Ungefähr in einer Stunde weckte mich Geschrei, Knistern und Schüsse.

Ich stürze in den Stall hinein, sehe ein riesiges Feuer.

Die Halunken rollen über den Boden und schreien.

Im Heu knallen die ausgestreuten Patronen…

Wir löschten das Feuer.

Ich wurde zornig.

‚Mein Gott,ʻ denk ich mir, ‚würde der Holzstall niederbrennen, die Serben selber würden verbrennen und wir würden in der Kammer ersticken. Die hat ja keinen anderen Ausgang.ʻ

Ich jagte sie hinaus. Weil sie auf das Feuer nicht aufgepasst haben.

Sie wollten nicht.

Sie bettelten, streckten ihre Arme: ‚Gospo´ne…gospo´ne…molim…pokorno…ʻ

‚Raus – marsch – marsch!ʻ

Als sie sich nicht rührten, zog ich meinen Revolver heraus.

Da begannen sie erst zur Tür zu rollen und dort, einer über den anderen wie ein Haufen lebendiger Lappen, baten sie um Gottes, um Marias Willen.

Und ich hatte kein Herz. Einen nach dem Anderen trugen wir sie, am Kopf und Füßen haltend, – in die Kälte, in den Frost. Wir legten sie in einen Kreis wie die zwölf Apostel…wir zündeten ein Feuer an…holten trockenes Holz…damit sie bis morgen hätten…Ich lachte, wie danach unsere Pferde den von den Serben gewärmten Stall genossen, […] Zu Mittag ging ich nach den Serben schauen. Um die erloschene Feuerstätte herum lagen zwölf erfrorene Serben.“

Ich zuckte die Achseln und wusste am nächsten Tag über nichts mehr.

Im Krankenhaus in Kotor erinnerte ich mich aber an alles… ich sah die Füße und die Schuhe des einen…und den Kopf und geballte Fäuste des anderen…

Sie schweigen? Ich weiß, was Sie denken.

Ich kann nicht schlafen. Ich habe sie umgebracht […]) S. 88f.

Sinnangebote:

Keine.