Osudy dobrého vojáka Švejka za světové války, Díl 2., Na frontě. (Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk, Teil 2., An der Front)

Titel:
Osudy dobrého vojáka Švejka za světové války, Díl 2., Na frontě. (Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk, Teil 2., An der Front)

Autor:

Jaroslav Hašek (30. April 1883 in Prag, Böhmen - 3. Januar 1923 in Lipnice nad Sázavou, Böhmen)
Politische Bedeutung:

In seiner Jugendzeit Anarchist, nach dem 1. Weltkrieg Sozialist/Kommunist. Hašek vertrat eine hohe Position in russischer Roter Armee, nach der Rückkehr in die Tschechoslowakei keine politische Tätigkeit. 

Perspektive:
Kriegserlebnis:

Ja. Hašek hat an der Ostfront gekämpft, wurde gefangen, trat in die Tschechoslowakische Legion ein, später wurde er zum Mitglied der Roten Armee und beteiligte sich an ihrer politischen Tätigkeit in Sibirien, Samara und Ufa.

Vorkommen von autobiographischen Elementen im Text:

Ja, manche Teile der Handlung und die Mehrheit der Orte und Personen entsprechen der wahren Erlebnissen Hašeks. Alle Dokumente, die die Echtheit der Personen und Orten in dem Roman belegen sollen, stehen unter folgendem Link zur Verfügung: http://www.svejkmuseum.cz/doc/dokumenty.htm [letzter Aufruhr am 23. 10. 2014]

Bibliographie

Osudy dobrého vojáka Švejka za světové války (Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk)
Erscheinungsjahr, Auflage:
1983, Elektronische Auflage, die von der 32. Auflage aus dem Jahre 1983 ausgeht.
Verlag, Ort:
Městská knihovna v Praze, Prag
Seitenzahl:
201 S.
Gattung:
Epik
Darstellungstyp:

Repräsentationstyp.

Paratexte:

Keine.

Struktur:

Formale Charakteristik des Werkes:

Gliederung in 5 Kapitel; heterodiegetischer Erzähler, Nullfokalisierung.

Eingliederung von Dokumenten / Medien / Bilder:

Tschechische Volkslieder und überwiegend deutsche Kriegslieder, die mit ihrem meistens ironischem Ton zum Kontext passen. Alle tschechischen Lieder, die im Schwejk erscheinen, sind unter folgendem Link verfügbar: http://www.svejkmuseum.cz/Pisnicky/zpevnik.htm [letzter Aufruf am 23. 10. 2014]

Raum:

Geographischer Raum:

Die Handlung verfolgt die Reise des Protagonisten durch Böhmen (die Städte Tábor, Putim, Písek und Dörfer am Schwejks Weg nach Budweis – Milevsko – Květov – Vráž – Malčín – Čížová – Sedlec – Horažďovice – Radomyšl – Putim – Štěkno – Strakonice – Volyň – Dub – Vodňany – Protivín – Putim und Budweis) und geht über die österreichische Stadt Bruck an der Leitha nach Kiralyhida in Ungarn.

Umfang des Spielraumes:

Hinterland, Reserve.

Zeit:

Die Handlung des 2. Teils knüpft an das Ende des 1. Teils im Frühjahr 1915 an. Das Ende der Handlung lässt sich zeitlich nur schwer bestimmen, wahrscheinlich handelt es sich um Sommer 1915. Keine genauen Zeitangaben.

Fremdenbilder:

Feindbild:

Obwohl der zweite Teil des Romans „An der Front“ heißt, werden im Text Erfahrungen Schwejks in der Reserve und im Hinterland beschrieben, der Feind wird kaum thematisiert. Kurz erwähnt werden die Russen, die von den tschechischen Soldaten im Allgemeinen als eine verwandte slawische Nation betrachtet werden und dementsprechend keine feindschaftlichen Gefühle erwecken.

 

„‚Že jsme všichni Češi a Rusové jedna slovanská krev […] S. 240

(„‚Daß wir alle, Tschechen und Russen, slawischen Blutes sind […]“ S. 283)

„‚Nezapomeňte, až budete na ruské straně, říct hned k Rusům: Zdrávstvujtě, ruskije braťja, my braťja čechi, my nět avstrijci.ʻ“ S. 351

(„‚Vergeßt nicht, bis ihr auf der russischen Seite sein werdet, gleich den Russen zu sagen: ‚Sdrawstwujte, russkije bratja, my bratja tschechy, my net awstrijci.ʻ“ [(russ.) Guten Tag, russische Brüder, wir sind tschechische Brüder, wir sind keine Österreicher.] S. 419)

Freundbild:

So wie im ersten Teil des Romans liegt der thematische Schwerpunkt des Textes in der Beschreibung von Zuständen in der österreichisch-ungarischen Armee. Äußerst satirisch wird das Chaos beim österreichischen Militär, die überwucherte Bürokratie und die Unfähigkeit der Offiziere beschrieben. Die Letztgenannten werden auch für ihre ungerechtfertigte Brutalität den Soldaten gegenüber und für Machtmissbrauch stark kritisiert. Thematisiert wird auch die Tatsache, dass beim Beurteilen von Verbrechen einfacher Soldaten und den der Offizieren zweierlei Maß benutzt wird, das natürlich zu Gunsten der Offiziere funktioniert.

„‚U pětasedmdesátýho regimentu,ʻ ozval se jeden muž z eskorty, „prochlastal hejtman celou plukovní kasu před válkou a musel kvitovat z vojny, a teď je zas hejtmanem, a jeden felák, kterej vokrad erár vo sukno na vejložky, bylo ho přes dvacet balíků, je dneska štábsfeldvéblem, a jeden infanterista byl nedávno v Srbsku zastřelenej, poněvadž sněd najednou svou konzervu, kterou měl si nechat na tři dny.ʻ“ S. 310

(„‚Beim 75. Regiment‘, ließ sich ein Mann aus der Eskorte vernehmen, ‚hat der Hauptmann vorm Krieg die ganze Regimentskassa versoffen und hatn Abschied nehmen müssen, und jetzt is er wieder Hauptmann, und ein Feldwebel, was das Ärar um Tuch auf Aufschläge bestohln hat – es waren über zwanzig Pakete – is heut Stabsfeldwebel, und ein Infanterist is unlängst in Serbien erschossen worn, weil er seine Konserve auf einmal aufgegessen hat, die er sich auf drei Tage hat lassen solln.“ S. 369)

„Hromy byrokratismu hřměly a bily do četnických strážmistrů, závodčích, mužstva, zřízenců. Pro každou pitomost disciplinární vyšetřování.“ S. 248

(„Die Donner des Bürokratismus erdröhnten und trafen Gendarmerie-Wachtmeister, Postenführer, Mannschaft und Angestellte. Wegen jeder Dummheit ein Disziplinarverfahren.“ S. 294)

„Jednoroční dobrovolník si oddechl a vypravoval dál: ‚Vyšla nákladem ministerstva vojenství kniha Drill oder Erziehung, ze které vyčetl Dauerling, že na vojáky patří hrůza. Podle stupňů hrůzy že má též výcvik úspěch. A v této své práci měl vždy úspěch. Vojáci, aby nemuseli slyšet jeho řvaní, hlásili se po celých cukách k marodvizitě, což však nebylo korunováno úspěchem. Kdo se hlásil marod, dostal tři dny verschärft. Ostatně, vy víte, co je to verschärft. Honí vás na cvičišti po celý den a na noc vás ještě zavřou. Tak se stalo, že u kumpanie Dauerlinga nebylo marodů. Kumpanienmarodi seděli v díře. Dauerling stále zachovává na cvičišti onen nenucený kasárenský tón, začínající slovem svině a končící podivnou zoologickou záhadou: svinským psem. Přitom je velice liberální. Ponechává vojákům svobodu rozhodnutí. Říká: ,Co chceš, slone, pár do nosu nebo tři dny verschärft?‘ Vybral-li si někdo verschärft, dostal k tomu přece jen dvě rány do nosu, k čemuž Dauerling přidává toto vysvětlení: ‚Ty zbabělče, ty se bojíš o svůj rypák, a co budeš dělat potom, až spustí těžká artilérie?‘ Jednou, když rozbil oko jednomu rekrutovi, vyjádřil se: ‚Pah, was für Geschichte mit einem Kerl, muß so wie so krepieren.‘ To říkal též polní maršálek Konrád z Hötzendorfu: ‚Die Soldaten müssen so wie so krepieren.‘“ S. 263

(„Der Einjährigfreiwillige seufzte auf und fuhr in seiner Erzählung fort: ‚Im Verlage des Kriegsministeriums ist ein Buch erschienen ‚Drill oder Erziehungʻ, in dem Dauerling gelesen hat, daß man auf die Soldaten mit Furcht einwirken muß. Dem Grad der Furcht entspreche der Erfolg der Übungen. Und in dieser Tätigkeit hatte er immer Erfolg. Um nicht sein Geschrei anhören zu müssen, meldeten sich die Soldaten in ganzen Zügen zu Marodenvisit, was jedoch nicht von Erfolg gekrönt war. Wer sich marod meldete, bekam drei Tage ‚Verschärftenʻ. Wissen Sie übrigens, was das ist, ‚Verschärfterʻ? Man jagt Sie den ganzen Tag auf dem Exerzierplatz umher, und über Nacht sperrt man Sie noch ein. So kam es, daß es bei der Kompanie Dauerlings keine Maroden gab. – Die ‚Kompaniemarodenʻ saßen im Loch. Dauerling schlägt unausgesetzt auf dem Exerzierplatz jenen ungezwungenen Kasernenton an, der mit dem Worte ‚Sauʻ beginnt und mit dem merkwürdigen zoologischen Rätsel ‚Sauhundʻ endet. Dabei ist er sehr liberal. Er läßt den Soldaten die Freiheit der Entscheidung. Er sagt: ‚Was willst du, Elefant, ein paar in die Nase oder drei Tage Verschärften?ʻ Wählt jemand ‚Verschärftenʻ, so bekommt er dazu noch zwei Hiebe in die Nase, was Dauerling mit folgender Erklärung begleitet? ‚Du Feigling, du fürchtest dich um deinen Rüssel, was wirst du tun, bis die schwere Artillerie losgeht?ʻ Als er einmal einem Rekruten ein Auge zerdroschen hatte, äußerte er: ‚Pah, was für Geschichten mit so einem Kerl, er muß sowieso krepieren.ʻ Das hat auch Feldmarschall Conrad von Hötzendorf gesagt: ‚Die Soldaten müssen sowieso krepieren.“ S. 313)

 

Die Diskriminierung einfacher Soldaten verläuft auch auf der nationalen Ebene. Von den österreichischen bzw. deutschsprachigen Offizieren werden im Gegensatz zu den protegierten deutschsprachigen Soldaten die Tschechischen vielfach benachteiligt und besonders brutal behandelt. Sobald die Tschechen jedoch Überzahl erreichen, benehmen sich die Offiziere feige.

Die tschechischen Offiziere werden so wie in anderen Teilen des Romans für die opportunistische Verleugnung eigener Nationalidentität zugunsten persönlicher Vorteile kritisiert.

 

„‚U nás v Čáslavi byl jeden redaktor z Vídně, Němec. Sloužil jako fénrich. S námi nechtěl česky ani mluvit, ale když ho přidělili k maršce, kde byli samí Češi, hned uměl česky.ʻ“ S. 213

(„Bei uns in Tschaslau war ein Redakteur aus Wien, eiin Deutscher. Er hat als Fähnrich gedient. Mit uns wollt er nicht mal tschechische sprechen, aber wie man ihn zur Marschkompanie zugeteilt hat, wo lauter Tschechen waren, hat er gleich tschechisch gekonnt.ʻ“ S. 250)

„S češtinou se nedostanete ani pod šibenici. Náš nejvyšší vojenský pán je taky Němec. Posloucháte? Himmellaudon, nieder!‘“ S. 264

(„Mit eurem Tschechisch kommt ihr nicht mal bis untern Galgen. Unser allerhöchster Kriegsherr ist auch ein Deutscher. Hört ihr zu? Himmellaudon, nieder!“ S. 313)

„Všichni vojenští představení snaží se tak vštípit lásku k vlasti zvláštními pomůckami, jako je řev a tanec kolem rekrutů, válečný ryk, připomínající divochy v Africe připravující se ke stažení nevinné antilopy nebo k pečení kýty z misionáře připraveného ke snědení. Němců se to ovšem netýká. Jestli šikovatel Sondernummer mluví cosi o saubandě, přidá vždy k tomu rychle die tschechische, aby se Němci neurazili a nevztahovali to na sebe.“ S. 261

(„Alle militärischen Vorgesetzten bemühen sich, auf diese Wiese die Liebe zur Heimat mit besonderen Hilfsmitteln einzuimpfen, als da sind Gebrüll und Gehops um die Rekruten, Kriegsgeheul, das an Wilde in Afrika erinnert, die sich anschicken, eine unschuldige Antilope abzuhäuten oder einen Missionärsschlegel zu braten, der dazu bestimmt ist, verspeist zu werden. Auf die Deutschen bezieht sich das allerdings nicht. Wenn Feldwebel Sondernummer etwas von ‚Saubandeʻ spricht, fügt er immer rasch hinzu ‚tschechischeʻ, damit die Deutschen nicht beleidigt sind und es nicht auf sich beziehen.“ S. 310)

 

Durchaus negativ werden von Figuren anderer Nationalitäten die Ungarn wahrgenommen, zu den wegen ihrer Feigheit, Unfreundlichkeit, ihrer bewussten Abgrenzung von den anderen sowie wegen ihrem Geiz sowohl die Österreicher als auch die Tschechen eine beinahe feindliche Stellung einnehmen.

 

„To vám řeknu, že mně je český voják milejší než taková maďarská sběř.“ S. 337

(„Ich sage Ihnen, daß mir der tschechische Soldat lieber ist als dieses magyarische Gesindel.“ S. 401f)

„‚Jen pij, kluku maďarská,ʻ odpovídal Švejk, ‚chlastej, vy byste nás tak nehostili…ʻ“ S. 210

(„‚Trink nur, Junge, magyarischerʻ, antwortete Schwejk, ‚sauf, ihr möchtet uns nicht so bewirten…ʻ“ S. 247)

 

Zivilbevölkerung:

Die tschechische Zivilbevölkerung wird im Roman aufgrund der allgegenwärtigen Spitzelei und Zensur als sehr vorsichtig dargestellt, da sie sich fürchtet, „revolutionärer Tendenzen“  verdächtigt zu werden. In der Öffentlichkeit verhalten sich die Leute dementsprechend meistens passiv, im Privatleben sprechen sie sich allerdings klar gegen den Krieg aus.

 „‚Vypravovalo se,ʻ prohodil Švejk, ‚že Rakousko má přece kolonie, někde na severu. Nějakou tu Zem císaře Františka Josefa…ʻ ‚Nehte si to hoši,ʻ řekl jeden voják z eskorty,   ‚to je moc nevopatrný, vypravovat dnes vo nějakej Zemi císaře Františka Josefa. Nejmenujte nikoho a uděláte lepší…ʻ“  S. 279

(„‚Es heißtʻ, warf Schwejk dazwischen, ‚daß Österreich doch Kolonien hat. Nämlich irgendwo im Norden. Ein Kaiser-Franz-Josef-Land…ʻ ‚Schenkt euch das, Jungensʻ, sagte ein Soldat aus der Eskorte, ‚es ist sehr unvorsichtig, heutzutage von einem Kaiser-Franz-Josef-Land zu sprechen. Nennt niemanden, und ihr tut besser dran…ʻ“ S. 331)

Intertextualität:
Einstellung zum Krieg:

Eindeutig negativ. Der Krieg wird als eine Angelegenheit der gesellschaftlichen sowie militärischen Eliten betrachtet, in den die einfachen Menschen bloß gewaltsam hineingezogen wurden. Der Text kritisiert dementsprechend nicht nur die Kriegsgeschehnisse, sondern auch die Verhältnisse innerhalb der österreichischen Armee sowie ihr Wesen an sich.

„‚Je rozhodně lepší škrábat v kuchyni brambory, modelovat blbouny a obírat žebro než řvát s plnými kaťaty pod uragánním ohněm nepřítele: „Einzeln abfallen! Bajonett auf!ʻ“ S. 275

(„Es ist entschieden besser, in der Küche Kartoffeln zu kratzen, Knödel zu drehen und Rippen abzunehmen, als mit vollen Hosen unter dem orkanartigen Feuer des Feindes zu brüllen: ‚Einzeln abfallen! Bajonett auf!ʻ“ S. 327)

„‚Pamatujou, bábo, že každý císař a král pamatuje jen na svou kapsu, a proto vede válku, ať je to třebas takový dědek jako starý Procházka, kterého nemohou už pustit z hajzlu, aby ji nepodělal celý Schönbrunn.ʻ“ S. 240

(„Merken Sie sich, daß jeder kaiser und König nu ran seine eigene Tasche denkt und drum führt er Krieg, auch wenns meintwegen so ein Greis is wie der alte Prochaza, den man nicht mehr ausn Scheißhaisl lassen kann, damit er nicht ganz Schönbrunn vollmacht.“ S. 284)

Sinnangebote:

Die Ausbeutung der einfachen Soldaten bzw. der einfachen Menschen könnte nach den Ansichten einiger der Figuren zu einem allgemeinen Aufstand gegen die gesellschaftlichen sowie militärischen Eliten führen. Der Sinn des Krieges wäre dementsprechend eine Befreiung des einfachen Volkes von tyrannischer Aristokratie, was im Einklang mit der kommunistischen Einstellung des Autors stehen würde. 

[…] všechno v armádě smrdí hnilobou. Teď se ještě vyjevené masy nevzpamatovaly. S vypoulenýma očima jdou se dát rozsekat na nudle a potom, když ho trefí kulička, zašeptá jen: Maminko… Neexistují hrdinové, ale jatečný dobytek a řezníci v jenerálních štábech. A nakonec se jim to všechno vzbouří, a to bude pěkná mela. Ať žije armáda!“ S. 267

(„[…] stinkt alles in der Armee nach Fäulnis. Bis jetzt sind die bestürzten Massen noch nicht zur Besinnung gekommen. Mit herausgewälzten Augen lassen sie sich zu Nudeln zerhacken, und wenn einen eine Kugel trifft, flüstert er nur: ‚Mutter…ʻ Es gibt keine Helden, sondern Schlachtvieh und Fleischer in den Generalstäben. Aber zum Schluß wird alles meutern, und das wird eine hübsche Schweinerei werden. Es lebe die Armee!ʻ“ S. 318)