Živý bič (Die lebendige Peitsche)

Titel:
Živý bič (Die lebendige Peitsche)

Autor:

Milo Urban (24. August 1904 in Rabčice, Slowakei - 10. März 1982 in Bratislava, Slowakei)
Politische Bedeutung:

Er arbeitete für mehrere Zeitschriften, die die rechtskatholische HSĽS (Hlinkova Slovenská Ľudová Strana – Hlinkas Slowakische Volkspartei) unterstützten. Diese Partei sympathisierte mit nationalsozialistischem Deutschland und regierte während des 2. Weltkriegs den Slowakischen Satellit-Staat. Urban war antikommunistisch ausgerichtet, 1945 versuchte er nach Österreich zu flüchten.

Perspektive:
Kriegserlebnis:

Nein

Vorkommen von autobiographischen Elementen im Text:

Urban arbeitete kurz in Sučany in Orava, das nicht weit vom Dorf Ráztoky liegt, wo sich die Handlung des Romans abspielt.

Bibliographie

Živý bič (Die lebendige Peitsche)
Erscheinungsjahr, Auflage:
1965, Erste tschechische Auflage, aus dem bearbeiteten slowakischem Original (1963, 7. Auflage)
Verlag, Ort:
Knihovna lidové četby, Praha
Seitenzahl:
310
Gattung:
Epik
Darstellungstyp:

Repräsentationstyp

Paratexte:

Nachwort von E. Charous über Urbans Leben, Arbeit sowie Werke und über die Wichtigkeit von Živý bič.

Struktur:

Formale Charakteristik des Werkes:

2 Teile: 1. Ztracené Ruce (Verlorene Hände) - (25 ungenannte Kapitel) schildert die Qual des Volkes während des Krieges; 2. Adam Hlavaj (24 ungenannte Kapitel) schildert die Rückkehr von Soldaten, Unzufriedenheit unter dem Volk und die Revolte gegen die bestehenden Verhältnisse.

Verborgener heterodiegetischer Erzähler mit Nullfokalisierung.

Eingliederung von Dokumenten / Medien / Bilder:

Volkslieder, die die Atmosphäre unterlegen.

Raum:

Geographischer Raum:

Dorf Ráztoky in Orava, in der Nordslowakei und Umgebung; das Regiment in Trenčín

Umfang des Spielraumes:

Hinterland

Zeit:

Der Anfang des Buches ist mit dem Anfang des Krieges und der Mobilisierung verbunden, wird aber nicht genau angegeben. Die Handlung spielt sich während des Krieges ab, es gibt nur eine konkrete Zeitangabe zum Ende des Romans – das Datum 27.10.1918, wann der Aufstand in Ráztoky beginnt. Der Roman endet einige Tage später.

Die Geschichte verläuft meistens chronologisch nur mit unwichtigen Analepsen zur Erklärung, Zeitraffungen überwiegen, Zeitdehnungen kommen in Hochpunkten der Erzählung vor.

Fremdenbilder:

Feindbild:

Es gibt nur wenige Hinweise auf den Feind, die das unwissende Volk durch die durchaus negative Medienpropaganda erfährt. Die feindlichen Soldaten werden als böse und dämonisch präsentiert. Eine positive Einstellung zum Feind haben dagegen die aus dem Krieg zurückkehrenden Soldaten, die die Russen als ihresgleichen Menschen mit den gleichen Alltagssorgen schildern und somit dem negativen Bild widersprechen, das die Medien vermitteln.

"Tady nebylo ani té nejnepatrnejší příčiny. Když se slovenský sedlák potkal s ruským mužikem, neměl důvodu zvednout proti němu pušku. Rus byl jeho pobratimem, měl tytéž starosti jako Slovák."

(„Da war nicht mal die geringste Ursache. Wenn der slowakische Bauer auf den russischen Muschik eintraf, hatte er keinen Grund, sein Gewehr gegen ihm zu heben. Der Russe war sein Wahlbruder, hatte die gleichen Sorgen wie der Slowake.“ S. 250) 

Freundbild:

Im Roman wird die Feindseligkeit zwischen Slowaken und Ungarn nicht thematisiert, die Ungarn werden aber meistens als tückisch, arglistig und grob geschildert, im Gegensatz zu den fleißigen und gehorsamen Slowaken, die jedoch für ihre Passivität und Alkoholismus gleichfalls kritisiert werden. Auf die Beziehung zu den Österreichern und den Deutschen wird nicht eingegangen, erwähnt werden sie lediglich in Gesprächen der unwissenden Bauer, die am Stammtisch über Kriegstaktik sprechen. Dabei verwenden sie längst nicht mehr aktuelle Namen der Generäle und zeigen dadurch, dass ihre Information über den Krieg eher lückenhaft sind.

"Kdyby Dankl-Aufenberg nešel na Rusy tak zhurta, mohl být už dneska v Berlíně."  (Wäre Dankl-Aufenberg nicht so hurtig gegen den Russen gegangen, konnte er heute bereits in Berlin gewesen sein.“ S.116)

Zivilbevölkerung:

Der Roman hat einen kollektiven Protagonist – das Volk, das als stark, arbeitsam, aber ebenfalls allzu gehorsam und passiv geschildert wird. Die ständige Unterdrückung führt aber letztendlich zur Revolte der einfachen Soldaten gegen ihre Offiziere und der einfachen Leute gegen die ungarische Herrschaft.

"Čtyři roky trvalo, než prostí lidé poznali, že jsou hříčkou satanské smečky, která jejich životy bojuje o vlastní zájmy" („Vier Jahre dauerte es, bis die einfachen Leute erkannten, dass eine satanische Meute mit ihren Leben um eigene Interesse kämpft.“ S.251)

Intertextualität:
Einstellung zum Krieg:

Der Roman bietet einen Blick auf die soziale Verhältnisse im Hinterland während des Krieges, er kritisiert den Krieg für seine schlechte Auswirkungen auf die einfachen Leute. Eine Kritik wird außerdem auf die Verhältnisse in der Armee sowie den Missbrauch des einfachen Volkes während des Krieges ausgeübt. Der Krieg wird als eine grausame und sinnlose Katastrophe für alle Schichten der Bevölkerung, hauptsächlich für die einfachen Bauer gesehen, die am Meisten unter der Unterdrückung der herrschenden Ungarn leiden. Diese Unterdrückung wurde meistens durch die Abnahme jeglicher Lebensmittel, Tieren, sowie durch erhöhte Steuern dem Volk gegenüber präsentiert, während die ungarische Herrschaften im Luxus leben und den Kriegszustand dazu nutzen, sich noch mehr zu bereichern.

"Byl to krutý, surový výsměch, parodie celé civilizace lidstva, potupa všech náuk..." (Es war ein grausamer, grober Hohn, eine Parodie auf die ganze menschliche Zivilisation, eine Schmach aller Lehren…“ S.111)

"Tam, kde měl být klid, zuřila snad ještě strašnější válka proti hladu a dvounohým hyenám." („Da, wo Ruhe sein sollte, tobte ein wohl noch furchtbarerer Krieg gegen Hunger und gegen die zweibeinigen Hyänen.“ S. 251)

Sinnangebote:

Der Krieg wird als Gipfel der sinnlosen und herzlosen Unterdrückung, des Tötens und des Unrechts am einfachen Volk gesehen, die nicht mehr zu dulden sind. Zugleich ist er aber auch ein Mittel dazu, der Unterdrückung ein Ende zu machen und Gerechtigkeit und Egalität für das Volk zu gewinnen. Diese Ansichten werden v. a. von dem Erzähler, häufig auch vom Volk präsentiert.

"Lidé pociťovali celou hloubku svého otroctví, viděli, že nejsou víc než nástroji sprostého vraždění." („Die Leite fühlten die ganze Tiefe ihrer Sklaverei, sie sahen, dass sie nicht mehr als Mittel zum gemeinen Morden waren.“ S.145)

"Jediným kladem odporné světové rvačky bylo, že vojáci pomalu nacházeli sami sebe, své ztracené ruce...z krve vstával nový člověk..." („Das einzig positive an dem widerlichen Weltschlägerei war die Tatsache dass die Soldaten langsam ihr Selbst, ihre verlorene Hände fanden… aus dem Blut stand ein neuer Mensch auf…“ S.148)