Eskorta. Příběh obyčejných lidí (Eskorte. Geschichte der einfachen Menschen.)

Titel:
Eskorta. Příběh obyčejných lidí (Eskorte. Geschichte der einfachen Menschen.)

Autor:

Josef Věromír Pleva (12. August 1899 in Moravská Svratka, Mähren - 7. September 1985 in Brünn, Mähren)
Politische Bedeutung:

Kommunistisch orientiert, Mitglied von „Slavděl“, einer literarischen Gruppe proletarischer Autoren.

Perspektive:
Kriegserlebnis:

Ja, als Soldat an der Südfront; 1917 Desertion, Verhaftung und Eskortierung zurück an die Front.

Vorkommen von autobiographischen Elementen im Text:

Ja, der junge Protagonist ist, nachdem er desertierte, als Gefangener an der Südfront gewesen, was den biographischen Angaben des Autors entspricht.

Bibliographie

Eskorta. Příběh obyčejných lidí (Eskorte. Geschichte der einfachen Menschen.)
Erscheinungsjahr, Auflage:
1929, 1. Auflage
Verlag, Ort:
Družstevní práce, Praha
Seitenzahl:
124 S.
Gattung:
Epik
Darstellungstyp:

Repräsentationstyp

Paratexte:

Widmung an Plevas Batterie-Freunde (František Zitt, Jan Šára, František Kvasnička).

Struktur:

Formale Charakteristik des Werkes:

Gliederung in 5 Kapitel; eine Rahmengeschichte, in der drei Häftlinge in der Nacht auf ihre Eskorte an die Front warten, was für sie einen sicheren Tod bedeutet, und drei Binnengeschichten, in den diese erklären, warum sie in die Haft gerieten. Rahmengeschichte – Homodiegetischer Erzähler, feste interne Fokalisierung; Binnengeschichten – homodiegetischer Erzähler, variable interne Fokalisierung.

Eingliederung von Dokumenten / Medien / Bilder:

Holzschnitte von Ferdiš Duša; ein Soldatenlied, S. 45.

Raum:

Geographischer Raum:

Rahmengeschichte: Gefangenschaft in der Nähe der Südfront (Trient). Binnengeschichten: tschechisches Hinterland, Ostfront in Galizien und Militärkrankenhaus in Bruck in den Alpen.

Umfang des Spielraumes:

Südfront, Ostfront, Hinterland.

Zeit:

Die Handlung der Rahmengeschichte spielt sich im Laufe von zwei Tagen im Oktober 1918, kurz vor und am Ende des Weltkriegs ab. Die Binnengeschichten umfassen unterschiedliche Zeitspannen nach der Desertion des jeweiligen Protagonisten bis zu seiner Verhaftung, es geht um die Zeit des Krieges.

Fremdenbilder:

Feindbild:

Die im Text vorkommende Kriegsfeinde Russland und Italien spielen an sich nur eine geringe Rolle und werden weitgehend nicht bewertet. Erwähnt wird lediglich die Einstellung der Russen zu den österreichischen Soldaten, die ihrer Meinung nach, egal ob tschechisch- oder deutschsprachig, alle zum Germanentum gehören und deswegen den Feind darstellen.

„– jen tak tak že jsem těm medvědům chlupatejm ruskejm utek z drápů – čert jim věř – takoví kozáci, víš, že oni tě budou v plenu živit? Každej bidlo na tři metry v ruce, a vykládej mu něco vo Slovanech – von jenom – vót cara brání – vostatní všechno austrijci – suky syni, svoloč germánská. –“

 („– Mit knapper Not bin ich aus den Klauen der haarigen russischen Bären entflohen – dass sie der Teufel holt – solche Kosaken, weißt du, dass sie dich im Plenum nähren werden? Jeder hatte eine drei Meter lange Stange in der Hand, und erzähl´ ihm dann etwas vom Slawentum – er sagt nur – er wehre den Zaren – die anderen sind alle Österreicher – germanisches Lumpenpack –“ S. 57)

Den wirklichen Feind stellen im Text, der kommunistischen Sichtweise des Autors entsprechend,  v. a. die Offiziere und die Kriegsführer einschließlich des Kaisers dar, die die Weltintelligenz bilden und sich dem Dämon des Kapitals versklavten, in dessen Namen sie jetzt Kriege führen. Die Offiziere und ihre Übergeordnete werden immer wieder als diejenigen dargestellt, die im Krieg nicht kämpfen müssen, die diesen lediglich als ein Spiel wahrnehmen, für welches sie jedoch das Material – die Soldaten – benötigen, die sich auf ihre Befehle in tötende, gedankenlose Bestien verwandeln. Die oberen Gesellschaftsschichten, die die Intelligenz vertreten, kontrastieren mit den einfachen, an sich friedlichen Menschen und werden eindeutig als die Kriegsverursacher bezeichnet.

„– Tady ale, v týhle válce, doplácí těm lumpům na tu hračku celej svět. Ti, co tuhle vojnu vedou, ať pro vlast či pro císaře – těch ta vojna nejmíň koštuje. […] Dají-li však něco dají-li moc, ti, co tu vojnu vedou, dají-li povídám nejvíc, dají jen mrtvý peníze. Ale to proto, že jim se ta vojna jaksepatří zrentuje.”

(„– Hier aber, in diesem Krieg, büßt für das Spielzeug dieser Lumpen die ganze Welt Diejenigen, die diesen Krieg führen, sei es fürs Vaterland oder für den Kaiser – die kostet der Krieg am Wenigsten. […] Wenn sie aber schon etwas herschenken, wenn sie viel herschenken, sie, die den Krieg führen, wenn sie, wie ich sage, am Meisten herschenken, geben se nur totes Geld. Das tun sie aber, weil sich ihnen der Krieg tüchtig rentiert.“ S. 72)

„Leda u generálního štábu […] tamty to baví – Kdypak zas bude takováto zábava pro lumpy? Kdy několik chlapů prolezlých nudou a francouzskou nemocí si může zahrát před tváří celých národů? Pro ně je to sport – co znamenáme my? Materiál, který je jim nezbytný  této hře – jako při kopané míč – “

(“Vielleicht im Generalstab […] die Amüsieren sich doch prächtig – Wann wird es denn auch wieder so eine Lumpenunterhaltung geben? Wann werden denn wieder ein paar durch Langeweile und die französische Krankheit durchgedrungene Kerle vor den Augen ganzer Nationen spielen können? Für sie ist es Sport – was bedeuten wir? Das Material, das sie bei diesem Spiel benötigen – wie einen Ball beim Fussball – “ S. 100)

„Kdo je napojil statečností? Ten mírný lid? Kdo jim rozkazuje? Důstojníci, dokonalejší lidé – intelektuálové – Sami ze své vůle by prostí vojáci vražedné zbraně nepozvedli – a kdo jsou intelektuálové, kdo jim dal rozkaz? Jsou nástrojem kapitálu. Kapitál si může koupit všechno, inteligenci, lid, dav – Otroci KAPITÁLU! Což je v člověku – touha bít a zabít?“

(„Wer füllte es mit Mut? Dieses milde Volk? Wer befiehlt ihm? Offiziere, die vollkommeneren Menschen – die Intellektuellen – Allein aus ihren eigenen Willen würden die einfachen Soldaten keine Mordwaffen gegeneinander heben – und wer sind die Intellektuellen, wer gab ihnen den Befehl? Sie sind das Instrument des Kapitals. Das Kapital kann sich alles kaufen, die Intelligenz, das Volk, die Masse – Sklaven des KAPITALS! Gibt es denn das im Mensch – die Sehnsucht zu schlagen und zu töten?“ S. 118)

Freundbild:

Von den einzelnen Nationen Österreich-Ungarns und der Mittelmächte wird keine explizit negativ oder positiv hervorgehoben. Es kommen allerdings einzelne Figuren deutscher und ungarischer höher gestellten Soldaten vor, die in ihrer Brutalität und Gehorsamkeit zu den Befehlen mit den drei Protagonisten – Deserteuren – kontrastieren.

Außerdem eine Krankenschwester aus Steiermark, die genauso wie das ganze Steiermark eine verherrlichende Beziehung zum Kaiser vertreten soll.

„Myslila, ta naivní ženská, že je každýmu vojákovi opravdu velká slast padnout za císaře pána a vlast – Brzo jsem ji z toho omylu vyved – Byla to Štajeračka, a to víte, ti Štajeráci by byli vlezli ze samý lásky císaři pánu do zadnice – Zkazila si tenkrát o mně trochu ilusi, ale povídám jí: vím, že se vám ta má statečnost moc nelíbí – ale poslat vás na rok do těch gebirgů možná, že byste se na císaře pána i na celej ten váš hrbatej fátrland vykašlala –“

 („Sie glaubte, das naive Weib, dass es für jeden Soldaten wirklich eine große Wonne ist, für das Vaterland und für den Kaiser zu fallen – Bald hab’ ich  ihr über die Realität berichtet – Sie war aus Steiermark, und dass wisst ihr, die Leute aus Steiermark wären aus Liebe dem Kaiser in den Arsch gekrochen – Ich hab’ ihr damals ein bisschen Illusionen geraubt, aber ich sag’ zu ihr: Ich weiß, dass Sie meine Tapferkeit vielleicht nicht mögen – aber wenn man Sie für ein Jahr in das Gebirge schicken würde, würden Sie vielleicht auch auf den Kaiser und Ihr ganzes buckeliges Vaterland pfeifen –“ S. 89f)

Zivilbevölkerung:

Die Bevölkerung der Städte wird vom Krieg materiell stark betroffen. Aus Mangel an Nahrungsmittel überflutet die Stadtbevölkerung das immer noch gut versorgte Land. Die reichen Bauer werden für ihre Habgier stark kritisiert, die einfachsten Nahrungsmittel müssen mit Schmuck, teurem Möbel und Luxuswaren bezahlt werden.

 

„Hlad. Na venkov jezdily vlaky hladových lidí z města. Poslední šperk, svatební šaty – kusy nábytku dávali hladoví nenasytným stvůrám na venkově – nebyli všichni stejní, ale většina sedláků si postavila nejhnusnější pomník – byli to keťasi – zlaté řetězy ztěžkly, kredence byly plny stříbra a broušeného skla – v místnostech páchnoucích  hnojem a močůvkou, rozprostřeny drahé koberce – otomany a originály hladových malířů – koupené za kilo vejražky, za pecen chleba. […] Inteligence venkova!“

(„Hunger. Aufs Land sind ganze Züge hungriger Menschen aus der Stadt gefahren. Den letzten Schmuck, das Hochzeitskleid – Möbelstücke gaben die hungrigen den unersättlichen Monstren auf dem Lande – sie waren nicht alle gleich, aber die meisten Bauer bauten sich das abscheulichste Denkmal – Wucherer waren das – goldene Ketten sind schwerer geworden, die Kredenzen wurden voll vom Silber und geschliffenem Glas – in den nach Mist und Jauche stinkenden Räumen wurden teure Teppiche ausgebreitet – Ottomanen und Originale von hungrigen Malern – für ein Kilo Roggenmehl, für einen Brot gekauft. […] Die bäuerliche Intelligenz!“ S. 34)  

Intertextualität:
Einstellung zum Krieg:

Eindeutig negativ. Das ergibt sich erstens aus der Tatsache, dass alle drei Protagonisten von der Front nach Hause desertierten, weil sie sich nach ihrer Heimat sehnen und sich von ihren Familien- und Liebesbeziehungen nicht trennen können. Außerdem stellt der Krieg einen unsinnigen, von den Offizieren geführten Kampf dar, der für die einfachen Soldaten, falls sie an die Front kommen, einen beinahe sicheren Tod bedeutet. Die einzige Möglichkeit, der Front zu entkommen, ist somit eine Verletzung, die sich die Soldaten dementsprechend häufig selber zufügen und dafür von den anderen nicht nur verstanden, sondern als Helden betrachtet werden.

„Konečně ví každý, že ulejváctví je v týhle válce nejen umění, ale i hrdinství. Kdo se neumí ulejt, nejni tak dobrej voják jako ten, komu se to daří. Nechat se vodprásknout na frontě jako dobytek, každej zajíc na honě tak skončí – ale vyhnout se tomu, jo, to znamená vopřít se celý armádě, vopřít se všemu a vyhrát to  - konečně jsme všichni tři ulejváci a sami víme, je-li to jen tak legrace – nejni – a řekněme se si upřímně, na nic jinýho právě nemyslíme, než na ulití – “

(„Es weiß schließlich jeder, dass Drückebergerei in diesem Krieg nicht nur eine Kunst, sondern auch Heldentum darstellt. Wer nicht schwänzen kann, ist nicht so ein guter Soldat wie derjenige, dem es gelingt. Sich an der Front wie ein Vieh abknallen lassen, so endet bei der Jagd jeder Hase – dem aber zu entkommen, ja, das bedeutet sich der ganzen Armee zu stellen, sich allem stellen und dieses besiegen – wir sind ja schließlich alle drei Drückeberger und wissen selber, ob das so einfach ist – ist es nicht – und sagen wir es ehrlich, wir denken an nichts anderes als an Drückebergerei –“ S. 88f)

 

Mehrfach wird die Absurdität des Krieges hervorgehoben, in dem einfache Menschen für einen ihnen völlig entfernten Kaiser kämpfen sollen, der für sie nichts weiteres als einen völlig gewöhnlichen Menschen verkörpert. Dementsprechend hat Österreich-Ungarn keine Gültigkeit eines Vaterlandes, für den gekämpft werden sollte. Der Begriff Vaterland wird offensichtlich im Sinne einer von den Offizieren proklamierten und an sich inexistenten Instanz des schützenden Staates verwendet. Die Gleichgültigkeit oder vielmehr eine negative Beziehung zu der Monarchie und ihren Offizieren steht im Gegensatz zu der Heimatbindung der Protagonisten, für welche sie die Gefahr der Verhaftung für Desertion und des folgenden Todesurteils riskieren.

„E, ať nás má             pámbu rád, a tenhle prokletej fátrland hrbatej, ať mně vleze na hrb – mně je to fuk.“

(„Ech, möge uns der liebe Gott lieben, und dieses verfluchtes buckliges Vaterland soll mit den Buckel runterrutschen – mir ist es wurst“ S. 11)

 

Die Aussage des Buches ist eine deutlich kommunistische. Die Offiziere bzw. Vertreter der Monarchie und anderer Staaten stellen die sg. Intelligenz bzw. die Intellektuellen dar, die lediglich dem Kapital dienen und den Krieg dementsprechend dazu benutzen, einen noch größeren Reichtum zu erreichen. Das einfache Volk wird unter ihrer Herrschaft zu einem gedankenlosen, ihre Befehle ausführenden Mörder. Für das entpersönlichte Töten an der Front fühlen die Soldaten dementsprechend keine Verantwortlichkeit, bei einem Mord, der einer der Protagonisten aus Not begeht, wird dagegen die Verantwortung für das zerstörte menschliche Leben zum Thema.

„To, že jsem postřelil toho strážmistra u Uherskýho Brodu […] to mě mrzí moc a bude mě to mrzet furt, dokud živ budu. A je mně divný, lidi, tohle: tenkrát při tom rykcukujsem přece střílel taky do lidí – do Rusů – Ale na to si nevzpomenu – Když ale sám člověk bez rozkazu střelí, třeba ani nezabije, zmrzačí, tak hryže svědomí. Takový dělá ta válka z lidí hovada, že v nich ani svědomí neprobudí – To nejni holt vražda, to je vyplněný rozkaz – jo, to je rozkaz. Nejni, věřte, větší blbiny, jako válka. Vojáci – co je voják? Vojsko? Kus hadru, číslo inventáře, dobytek – Nesmí myslit. – Rozkaz! Rozkaz!“

(„Dass ich den Wachtmeister bei Uherský Brod angeschossen hab […] das tut mir sehr leid und wird mich, solange ich leben, leid tun. Und Leute, es ist seltsam: damals bei dem Rückzug schoss ich doch auch auf Menschen – auf die Russen – Aber daran erinnere ich mich nicht – Wenn man aber allein, ohne Befehl, schießt, auch wenn er nicht tötet, sondern nur verstümmelt, dann wird man vom Gewissensbissen gequält. Zu solchen Mistviehen macht der Krieg die Menschen, dass ihr Gewissen gar nicht erwacht – Es ist halt kein Mord, es ist nur ein erfüllter Befehl – ja, es ist ein Befehl. Glaubt mir, es gibt keinen größeren Blödsinn als den Krieg. Soldaten – was ist denn ein Soldat? Die Armee? Ein Lappen, eine Inventarnummer, Mistvieh – Es darf nicht denken. – Befehl! Befehl!“ S. 72).

Sinnangebote:

Dem Krieg wird von den Protagonisten und anderen einfachen Menschen kein Sinn zugeschrieben. Für die „Intelligenz“ bedeutet er dagegen ein Mittel zum Gewinn eines noch größeren Kapitals.