Rozchod! (Wegtreten!)

Titel:
Rozchod! (Wegtreten!)

Autor:

Karel Konrád (28. März 1899 in Louny, Böhmen - 11. Dezember 1971 in Prag)
Politische Bedeutung:

 Politisch links orientiert.

Perspektive:
Kriegserlebnis:

Im März 1917 rückte Karel Konrád in die Armee ein und absolvierte in Rijeka und Zagreb eine Militärausbildung, im Herbst 1917 wurde er superarbitriert.

Vorkommen von autobiographischen Elementen im Text:

Der Text weist viele autobiographische Merkmale auf, es kommen Konrads Erlebnisse vor - die Handlung ist zeitlich mit Konráds Kriegserlebnissen identisch; die Rekruten absolvieren eine Grundausbildung in Rijeka und Zagreb genauso wie Konrád usw.

Bibliographie

Rozchod! (Wegtreten!)
Erscheinungsjahr, Auflage:
1963, 8. Auflage
Verlag, Ort:
Mladá Fronta, Praha
Seitenzahl:
345
Gattung:
Epik
Darstellungstyp:

 Repräsentationstyp

Paratexte:

 Widmung an Václav Wassermann, Nachwort von Z. K. Slabý

Struktur:

Formale Charakteristik des Werkes:

Homodiegetischer Erzähler; ein Übergang zwischen der internen und der Nullfokalisierung; der homodiegetische Erzähler weist autobiographische Elemente auf, bleibt allerdings anonym. Der Text wird in Teile, Kapitel und Unterkapitel gegliedert.

Die Erzählperspektive wird im Unterkapitel 1 im Kapitel 7, das aus Tagebucheinträgen des Protagonisten Emil Purkyně besteht, und im „Epilog“ geändert, der aus einem Zeitungsbeitrag und einem Gedicht anderer Verfasser besteht.

Eingliederung von Dokumenten / Medien / Bilder:

Ja – ein Bericht über das Attentat auf Franz Ferdinand [S. 22], Gestellungsbefehl zur Armee [S. 260], einige Briefe; Einbettung von Liedern/Volksliedern, Gedichten oder Weisen; Illustrationen von Vincent Hložník.

Raum:

Geographischer Raum:

Zwischen 1917-1918 wechseln sich mehrere Schauplätze. Zuerst ist es eine kleine böhmische Stadt, die Einberufung zum 53. Infanterieregiment zur Militärausbildung verschiebt die Handlung nach Rijeka (Fiume) und Zagreb. Weitere wichtige Schauplätze sind Prag und die Slowakei. Eine bedeutende Rolle spielen die Zugfahrten (durch Tschechien, Österreich, durch die Slowakei u.a.) und die Orte, durch die gefahren wird. Über die Fahrt wird oft berichtet.

Der Anfang wird in die Heimat eingesetzt, die als bekannt und familiär beschrieben wird. Die erste Zugfahrt bedeutet für die Rekruten zugleich die erste Fahrt ins „Fremde“, was sie mit Beklommenheit und Angst erfüllt. Während der Militärausbildung wird mehrmals der Kontrast zwischen der Schönheit der Natur und dem Krieg und Kriegslandschaft thematisiert.

„Stoupli jsme k oknům a musili jsme zapomenout na vše minulé, i na hlad. Úbočí srázů, alabastrově bílá v plném jasu slunce, byla poseta políčky rumělkové barvy a obehnána hradbou běloskvoucích kamenů: Crvenja polje. […] Byli jsme okouzleni tímto přírodním zázrakem. Nebýti tak vojáky! Nebýt hladu! Nebýt světové války! A je někde na zeměkouli taková krása, aby se na to mohlo zapomenout? Alespoň na minutu! Na vteřinu?“

( "Wir stellten uns an die Fenster und mussten alles Vergangene, auch den Hunger, vergessen. Die steilen Abhänge, in der vollen Sonne alabasterweiß, waren mit zinnoberroten Feldchen übersät und von einem Wall aus blendend weißen Steinen umringt: Crvenja polje. [...] Ganz bezaubert wurden wir von diesem Naturwunder. Wären wir nicht Soldaten! Gäbe es keinen Hunger! Gäbe es keinen Weltkrieg! Und gibt es irgendwo auf der Erde so eine Schönheit, die uns das alles vergessen lässt? Vielleicht nur für eine Minute? Nur für eine Sekunde?" )  S. 60-61

Nach dem Krieg fahren einige der Protagonisten in die Slowakei, um die Nation gegen der ungarischen Angriffen zu verteidigen – die Slowakei stellt dabei nicht die Heimat dar (oder nur teilweise), sondern sie wird als ein zusammengehöriger Bestandteil wahrgenommen, als „der Bruder“.

Umfang des Spielraumes:

 Hinterland/Südfront/die Slowakei

Zeit:

Der Anfang des Textes geht an die Schulzeit des Erzählers zurück, das genaue Jahr lässt sich nicht bestimmen. Das erste genaue Datum ist der 28. Juni 1914 [S. 22]. Der wesentliche Teil des Buches beschreibt das Jahr 1917, wo sich die Protagonisten im Zug nach Rijeka oder später in Rijeka und Zagreb treffen und zusammen den Krieg erleben. Von Bedeutung ist auch die Zeit nach der Gründung der Tschechoslowakei (Herbst/Winter 1918), wo sich die Soldaten freiwillig entscheiden, für die Freiheit der Slowaken zu kämpfen. Das Ende der zügigen Handlung lässt sich in die Zeit nach Weihnachten 1918 datieren. Der Roman endet mit einem Epilog [S.335-338], wo der Leser erfährt, wann und wie die zwei Protagonisten (Emanuel Purkyně, Josef Hubáček) gestorben sind (EP stirbt am 23. Oktober 1929, JH gegen 14. Oktober 1931).

Eine explizite Datierung wird im 7. Kapitel, 1. Unterkapitel durchgeführt, das aus den mit genauem Datum vorgesehenen Tagebucheinträgen Emil Purkyněs besteht.

Fremdenbilder:

Feindbild:

Der Feind wird weder thematisiert noch charakterisiert. Meistens spielt die Handlung in der Heimat oder im Lager für die Militärausbildung, deswegen liegt eher das „Freundbild“ nahe.

Freundbild:

Unter den Nationalitäten der Alliierten werden einige Stereotypen geschaffen. Die Tschechen werden beispielweise als diejenigen dargestellt, die ständig möglichst viel Menage zu bekommen versuchen.

„Teď musí každý ukázat rezervní porci salámu. Asi deset jednoročáků již to nemohlo hlady vydržet a snědlo všechno. Sedm dní vězení! [...] Všichni postižení vězením byli Češi – Ti vynikali vůbec lepší a větší chutí, a byli zvláště neblaze proslulí v tomto ohledu jako nosiči jídla. Kdo se totiž ráno první chopil v kuchyni hrnců, v nichž se roznášela káva, měl celý den právo a povinnost starat se o rozdělování porcí v jídelně při obědě i večeři. Přirozeně, že takové dvojici „menážtrégrů“ zbylo na dně, pro vlastní užití, byli-li šetrni, dosti kávy, vína, rybiček, sýra, bobů, řípy či bramborů, podle toho, co právě kuchaři připravili, takže brzy vypukly o hrnce řevnivé dostihy dvojic. Skoro pokaždé získali je Češi, příslušníci jiných národů nebyli tak hbití, naši vždy přiběhli dříve než oni. Vstávali raději o hodinu časněji než ostatní, aby byli v kuchyni první, až se tím stali pověstní po celé Fiume a Sušaku.“

("Jetzt muss jeder seine Vorratsportion Salami zeigen. Ungefähr zehn von den Soldatenneulingen hielten den Hunger nicht mehr aus und aßen alles auf. Sieben Tage Gefängnis! [...] Alle durch das Gefängnis betroffene waren Tschechen - sie zeichneten sich durch einen größeren und besseren Appetit aus, und waren in dieser Hinsicht v. a. in ihrer Funktion der Essensträger als verhängnisvoll bekannt. Wer nämlich morgens als erster in der Küche die Töpfe ergriff, in denen Kaffee verteilt wurde, hatte den ganzen Tag lang das Recht und die Pflicht, sich im Speisereaum um die Verteilung der Rationen beim Mittags- und Abendessen zu kümmern. Natürlich blieb so einem Paar von "Menage-Trägern", falls sie sparsam genug waren,  genug Kaffee, Fisch, Käse, Bohnen, Rüben oder Kartoffeln für eigenes Nutzen im Topf , immer je nach dem, was die Köche gerade vorbereitet hatten, sodass um die Töpfe bald ein eifersüchtiges Rennen der einzelnen Paare ausbrach. Fast jedes Mal gewannen die Tschechen, die Angehörigen der anderen Nationen waren nicht schnell genug, die  Unseren kamen immer früher als die Anderen an. Um in der Küche als erste zu sein, standen sie  eine Stunde früher als die Anderen auf und wurden dadurch im ganzen Fiume und Sušak bekannt." S. 102)

Die Deutschen, die Ungarn und die Rumänen werden bei der Militärausbildung als lernfähiger und fleißiger als Tschechen beschrieben.

„Cvičili jsme strojově, v tom smyslu byla prý škola Feldpost 406 první v říši... I duševní výcvik shledán na nejvyšší úrovni, důstojníci vyvolávali jen Němce, Maďary nebo Rumuny, kteří všechno uměli.“

"Wir turnten maschinell, in diesem Sinne war angeblich die Feldpostschule 406 die beste im ganzen Reich...Auch die geistige Ausbildung erstklassig befunden, die Offiziere fragten nur die Deutschen, Ungarn oder Rumänen aus, die alles wussten." S. 107)

Allgemein lassen sich allerdings unter den Soldaten, auch wenn sie unterschiedlichen Nationen entstammen, keine wesentlichen Unterschiede feststellen.

„Jsou všichni zapáchající, když je válka nutí do špíny, je všechny cítit starobylým potem, nedopalky cigaret, nečištěnými ústy, zateplalými výpary. Jako by nás bůh poznamenal, odmrštiv nás hluboko od svého obrazu, stejně ostrým zápachem, a všechny vojska takto označil, není mezi námi žádných rozdílů – Američan, Němec, Čech, Maďar, Angličan či Senegalec, otrocké i osvobozenecké vojsko. Všichni jsme stejně zavrženi.“ [S.249]

Zivilbevölkerung:

  Die Zivilbevölkerung leidet genauso wie die Soldaten unter Hunger und Not. Die Soldaten finden bei der Zivilbevölkerung Anerkennung, da sie durch ihren Kampf die Hoffnung auf die Verbesserung der momentanen Lage bringen.

„Tolik lidí je na perónech a žádný hovor neslyšíš. Ticho. Působí to nepříjemně. Děti, muži, ženy, starci, babičky: unavení, zklamaní, otupělí i plní utajované zloby i pokory. Jako rozbitá, odražená armáda civilistů vlekou se teď nazpět z nezdařených výpadů, podniknutých do vesnic za opatřením aprovizace. […] A hle, jak jsou ti lidé čekající na perónech oblečeni! Převládají na nich části vojenských uniforem. […] A nevoní příjemně jako civilní lidé, jak máme ještě v živé paměti, ale zapáchají zrovna tak jako my. Už nás ve tmě ani nerozeznáš, vojsko a civil, jako by je nakazily kusy z armádních mundurů. I drobné keťasy. Celý svět je zamořen duchem války.“ [S.202]

Intertextualität:

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Einstellung zum Krieg:

 Der Krieg wird eindeutig als die Ursache der Not und des menschlichen Leidens präsentiert. Geschildert werden v. a. sehr junge Soldaten (17, 18 Jahre alt) und ihre Schicksale, die durch den Krieg um ihre Zukunft beraubt und deren Leben verdorben wurden.

„Sladkou, lehkou zem, Bauře! Sodomko, Grbenci, Fořte, Pulcharte, Mareši, Kándere, Fanto, Čížku, Hornofe, Krešli, Lodrante, Sajnere, Jirásku! Ó, nemálo jich z nás padlo a zemřelo na poli cti a slávy! Z nás, kteří doposud ještě ani neznali přesná příjmení všech věcí, které mohou způsobovat člověku radosti. Ba, nejen to, dosud jsme ještě ani neznali pravého pojmu krásy. Ani opojnost slin a vůni lásky. Snili jsme jen o ní.“ [S.114]

„Všichni jsme křičeli a všichni to křičíme znovu: Fuj! Fuj! Jak nádherné slovo, a jako by nám vyklíčilo přímo ze srdcí. A jsi v něm celá obsažená, vojno, celá jsi v něm zabalena jako obrázek v uzlíčku; jako miniaturní podobenka nejpravdivějšími barvami kolorovaná a tak trvalých obrysů, že přečkají věky věkův. A jak jsi, vojno, zblízka směšná! Jako šašek krále Jiřího, když prskal a slintal při dvorní tabuli. Fuj! Jaký máš idiotsky ničemný výraz! Kdybychom žili milióny let, nenajdeme pro tebe poetičtějšího jména, kouzelnějšího, než Fuj! A hned prvního dne ti je říkáme, jeden za všechny, jako trvalou přezdívku. Navždy. Do nejdelší smrti. Do skonání světa. Jebem ti mater! Fuj!“ [S.52-53]

Die ständigen Gedanken an die Heimat stellen einerseits Trost dar, erregen aber zugleich eine große, traurige Sehnsucht.

„[...] až když ustoupila trochu stranou palčivá touha po domově, která byla trvalým a čelným stavem tvého nitra, takže jsi nic jiného nevnímal (vše ostatní přehlušovala), mohl jsi konečně ucítit jeho jásavé třásně. Jako bys pojednou nabyl opět daru sluchu. Jistě je všeho toho nemalou příčinou okolnost, že mezi sebou – jako všichni druzí vojáci – nemluvíme o ničem jiném než o svých domovech, darmo tak rozněcujíce lítost až k slzám. Darmo tak jitříce skrze marnost vykoupení bolest srdcí.“ [S.57]

Die beiden Protagonisten vertreten den Widerstand gegen die Sonnlosigkeit des Krieges, die sie beide mit allen Kräften zu bekämpfen, indem sie (erfolgreich) versuchen, in dem Wahnsinn des Krieges ihre Gesittung und Vernunft nicht zu verlieren. Schließlich gelingt es ihnen, nach Prag zurückzukehren – Hubáček wird für verrückt erklärt und zurück nach Prag geschickt, Purkyně führt sich absichtlich eine Erfrierung zu und verlängert auf diese Weise seinen Urlaub in Prag. Nachdem auch er für verrückt befunden, wird er schließlich von der Wehrpflicht befreit.

Das Thema des Romans ist im Wesentlichen der Versuch, den menschlichen Charakter im Krieg zu behalten – soweit es geht. Der Krieg wird aufgrund der Erlebnisse sowohl aus dem ersten Weltkrieg als auch aus den Kämpfen gegen die Ungarn in der Slowakei als völlig absurd dargestellt. Die Heimat und die Lebenslust geben dem Leben einen Sinn.

Sinnangebote:

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