Deutschnational
Ja – Strobl war als Kriegsberichterstatter tätig (zwischen 1915 und 1918 war er an fast allen Fronten gewesen).
Wahrscheinlich nicht.
Privattyp.
Seiten 77-83 der Erzählsammlung; heterodiegetischer Erzähler, feste interne Fokalisierung; keine weitere Gliederung.
Nach der Einberufung des Protagonisten eine Zugfahrt aus Deutschland nach Flandern an die Westfront, von der der Protagonist in die Etappe abgeschoben wird.
Er fand sich nach einem bösen und wirren Traum von Eisenbahnfahrt an einem Abschnitt in Flandern, wo das Leben von den einstigen Behaglichkeit in der Apotheke „Zum weißen Engel“ und den Wohnräumen dahinter noch weiter, als bloß um einige geographische Längengradeentfernt war. S. 78
Hinterland, Westfront, Etappe der Westfront.
Die Handlung fängt am Anfang des Krieges an, der Zeitpunkt, in dem die Geschichte endet, lässt sich nicht bestimmen, es handelt sich aber immer noch um die Zeit des Krieges.
So hätte Herr Fließenschuh wahrscheinlich sein Leben vom fünfundvierzigsten Jahr bis zu dem ihm von dem wohlwollenden Gott der Gesundheit in Aussicht gestellten noch recht entlegenen Ende fortgesetzt, wenn über dieses Leben wie über das aller seiner Nachbarn und Zeitgenossen nicht das erschütternde und unbegreifliche Ereignis des Krieges hereingebrochen wäre. S. 78
Der Feind wird im Allgemeinen nicht thematisiert, die niederländische Zivilbevölkerung wird allerdings als tückisch bezeichnet, da sie ihrer Armee hinter dem Rücken der Deutschen geheim Nachrichten schickt.
„Es war nämlich soeben von oben und hinten die Verfügung eingelngt, daß der eifrig geübten Verräterei im Rücken der Armee ein Ende bereitet werden müsse. Man sei dahinter gekommen, daß die tückische Bevölkerung dem Feind über die Schützengräben hin mittels Brieftauben Nachrichten sende, daher müßten sogleich in einem breiten Strich hinter der Front alle Tauben abgeliefert werden, und auf Nichtbefolgung dieses Befehles war unnachsichtlich und unerbittlich die Todesstrafe gesetzt.“ S. 81.
Die Zivilbevölkerung wird nicht näher thematisiert, erwähnt wird allerdings der anfängliche allgemeine Glauben der Menschen sowie des Protagonisten daran, dass es sich bei dem Krieg um einen raschen, mit einem baldigen Sieg zu beendenden Kampf handeln wird. Dieser Glauben verschwindet mit dem weiteren Anhalten des Krieges.
„Zunächst mit allen andern vernünftigen Betrachtern davon überzeugt, daß sich das schreckliche Drama binnen wenigen Monaten abgespielt haben werde, mußte er allmählich zugeben, daß es schwere beendet als begonnen sei, und er sah den Zeitpunkt herannahen, in dem die allgemeine Begräbnis sich auch ihm persönlich fühlbar machen werde.“ S. 78
Der Text gibt keine explizite Einstellung zum Krieg wider, da er jedoch die Absurdität der Kriegsgeschehnisse beschreibt, lässt sie sich als negativ bezeichnen.
In einem ironischen Ton wird kurz die Kriegspropaganda angesprochen, die die Soldaten über die Erhabenheit ihres Kampfes für das Vaterland überzeugt, dabei allerdings durch die militärische Dressur und Hierarchisierung innerhalb der Armee ihre Menschenwürde degradiert.
„Es kam sehr rasch Einberufung und Sturz in das Fegefeuer der Abrichtung, in dem die Schlacken der allgemein üblichen Menschenwürde ausgebrannt und die Läuterungen zum höheren Sein eines Soldaten vorgenommen zu werden pflegen. Nachdem Fließenschuh gründlich vergessen hatte, daß man dereinst seinen Namen mit einem vorgesetzten „Herrn“ auszusprechen gewohnt gewesen war, erging an ihn und seine Nachbarn in Reih´ und Glied der Ruf, die Front im Westen zu verstärken.“ S. 78.
Der Protagonist empfindet seine Teilnahme am Krieg nicht als traumatisierend, sondern vielmehr als vollkommen langweilig und leer, was sich mit seinem Versetzen von der Front in die Etappe noch steigert. Sein Unglücksgefühl wird jedoch nicht direkt durch den Krieg, sondern vielmehr durch seine Unfähigkeit verursacht, Beziehungen zu anderen Menschen anzubinden.
„Es traf sich eben damals, als diese Leere geradezu unerträglich geworden war, daß aus dem Sumpf, in dem Fließenschuh hockte, ein Fieberdüftlein aufstieg, das ihn zu weiterem Verweilen im Schützengraben derzeit untauglich erscheinen ließ. Er wurde bis auf weiteres in die Etappe abgeschoben, und obwohl er so der eigentlichen Gefahrzone entrückt war, setzte mit dieser scheinbaren Wendung zum Besseren doch erst recht sein eigentliches Verhängnis ein. Mit seinen gegen Abend immer noch von Fieber erfüllten Augen spähte er sehnsüchtig umher, aber es blieb ihm nach wie vor unmöglich, sich an Menschen anzuschließen, die nicht dort aufgewachsen waren, wo man den Turm von Krätzingen sah.“ S. 79.
Diese Unfähigkeit kompensiert er durch seine Liebe zu Tieren, derer Dankbarkeit und Zuneigung scharf mit der Härte der ihn umgebenden Menschen und des Alltagslebens im Krieg kontrastiert. Einen Trost in seiner Einsamkeit findet Fließenschuh dementsprechend darin, indem er einem Bauer eine Taubenzucht abkauft und sich um die Vögel kümmert, die allein seinem Leben einen Sinn geben. Wegen dem Verdacht, sie würden der niederländischen Bevölkerung zur geheimen Post mit dem Feind dienen, muss er sie jedoch bald abliefern und wird folglich, da er heimlich eine letzte blaue Taube bei sich behielt, aufgrund dieses Vergehens zum Tode verurteilt und erschossen. Die naive Schlichtheit und emotive Zärtlichkeit des Protagonisten, mit der er mit seinen Tieren umgeht werden somit in ein starkes Gegensatz zu der Gefühllosigkeit der „oben und hinten“ stehenden Offiziere und der Brutalität der Kriegsmaschinerie gestellt.
„Es war nämlich soeben von oben und hinten die Verfügung eingelngt, daß der eifrig geübten Verräterei im Rücken der Armee ein Ende bereitet werden müsse. Man sei dahinter gekommen, daß die tückische Bevölkerung dem Feind über die Schützengräben hin mittels Brieftauben Nachrichten sende, daher müßten sogleich in einem breiten Strich hinter der Front alle Tauben abgeliefert werden, und auf Nichtbefolgung dieses Befehles war unnachsichtlich und unerbittlich die Todesstrafe gesetzt. […] der Kanzleivorstand, ein braver, alter Sanitätsunteroffizier, mit rauhem Trost meinte: Na, Fließenschuh, Befehl ist Befehl…und schließlich: Tauben sind doch keine Menschen.“ S. 81
„Dem Vorsitzenden des Kriegsgerichtes, das alsbald zusammentrat, entgegnete Fließenschuh immer nur das eine: „Ich bin kein Spion, Herr Generalmajor.“ „Ich weiß es, Fließenschuh! Es tut mir leid um Sie, aber wir dürfen keine Ausnahme machen…wir dürfen nicht!“ Zwei Stunden nach dem Urteilsspruch ging Fließenschuh in den Tod, den Leutnant, der die Exekution kommandierte, fragte er, als dieser seine letzten Wünsche entgegennehmen wollte: „Was ist mit meiner Taube geschehen?“ Der Leutnant gab keine Antwort, er wandte sich und die Salve krachte.“ S. 83.