Passion. Ein Drama.

Titel:
Passion. Ein Drama.

Autor:

Will-Erich Peuckert (11. Mai 1895 in Töppendorf, heutiges Polen - 25. Oktober 1969 in Langen, Deutschland)
Politische Bedeutung:

Eine antinationalsozialistische Einstellung, nichts Weiteres bekannt.

Perspektive:
Kriegserlebnis:

Ja. 1914 zum meteorologischen Dienst der Luftwaffe mobilisiert; bis 1916 auf der Front.

Vorkommen von autobiographischen Elementen im Text:

Nein.

Bibliographie

Passion. Ein Drama.
Erscheinungsjahr, Auflage:
1919, 1. Auflage
Verlag, Ort:
Neue Schaubühne, Dresden
Seitenzahl:
91 S.
Gattung:
Drama
Darstellungstyp:
Paratexte:

Widmung an den im Kriege gefallenen Bruno Hering.

Struktur:

Formale Charakteristik des Werkes:

Das Drama besteht aus 5 Akten, die weiter in Szenen geteilt werden.

Eingliederung von Dokumenten / Medien / Bilder:

Ein Ausschnitt aus dem Markusevangelium.

„Jesus nahm das Brot, dankte und brach’s und gab es seinen Jüngern und sprach: Nehmer hin und esset, das ist mein Leib! – Desselbigengleichen nahm er auch den Kelch und sprach: Nehmet hin und trinket, das ist mein Blut! – Und da sie den Lobgesang gesprochen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg. Und es war Nacht.“ (S. 85)

Im ersten Akt ein Ausschnitt aus einer griechischen Schrift von Anaximander (in freier Übersetzung ins Deutsche).

Raum:

Geographischer Raum:

Der geographische Raum der Handlung lässt sich nicht näher bestimmen, im Text werden nur zwei konkreten geographischen Angaben erwähnt - die französischen Gebiete Poitou und Angouleme, die allerdings nicht zum Handlungsort werden.

„Wir haben alles versucht, - wir haben Räumung angeboten, - Verzicht auf Poitou und Angouleme, - Entschädigungen, - - - - - - - - - - - „(S.80)

Das Drama spielt sich an mehreren Orten ab – an einem Weizenfeld, in einem Traum einer der Protagonistinnen vor einem Dom, in einem Haus, im Kronsaal, in einer Zelle. Es geht jedenfalls um Räume, die von den Kriegsgeschehnissen betroffen wurden.

Umfang des Spielraumes:

Eine nicht genau spezifizierte, vom Krieg betroffene Gegend.

Zeit:

Die genaue Zeit wird nicht genannt, sie lässt sich aber nach manchen Andeutungen zumindest grob bestimmen: dazu gehören Erwähnungen über Luftschiffe [S. 13], Dampfboote [ebenda], ein Auto [S. 56]. Die Zeit lässt sich also zwischen die 90er Jahre des 19. Jahrhunderts und die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts schätzen. Begründbar wäre ohne Zweifel die Zeit des ersten Weltkrieges, weil im Text ein Krieg vorkommt.

„Aber Irene, du mußt doch nicht solche Sätze aufs gewöhnliche Leben anwenden, -- weißt du,-- wir haben jetzt Luftschiffe und Dampfboote, wo bleibt denn da noch Platz für derartige Dinge, -- ach, -- jetzt gilt ja bloß noch die Gleichung und chemische Formel, -- für Abenteuer ist bei uns kein Raum mehr.“ (S. 13)

Obwohl man nicht weiß, in welchem Jahre die Geschichte spielt, geht es um die Zeit vor Ostern. Es handelt sich um die Fastnacht und Passionszeit, wobei der Hauptprotagonist Peter einen parallelen Weg mit dem Weg Jesus Christus absolviert.

PETER: „Unflat!  Macht Platz, Fastnachtsnarren!“

EIN TOLLES WEIB (mit hochgeschürztem Rock): Hast recht, Söhnle, - Fastnacht ist heut, - hihihi, Fastnacht.“ (S. 46)

„Seid Ihr noch nicht satt? Das war doch schon: Palmsonntag – und Karfreitag, - was soll denn nun noch kommen, Ihr, - Ihr Schinder?! – Ich hab‘ ja sowieso schon mehr als Ihr, - Irene – wenn du hier wärst!“ (S. 89)

Fremdenbilder:

Feindbild:

Es werden keine konkreten kämpfenden Seiten – Alliierten oder Feinde – genannt, vielmehr geht es um ein Bild des Elends. Konkrete Kriegsfeinde spielen keine zentrale Rolle und werden erst am Ende des vierten Aktes besprochen.

EIN BOTE (stürzt atemlos herein): „Sie lehnen ab.“

PETER (erschrickt): „Was – habt – Ihr-?“

DER BOTE: „Wir haben alles versucht, - wir haben Räumung angeboten, - Verzicht auf Poitou und Angouleme, - Entschädigungen, - - - - - - - - - - - „

PETER: „Und – was-?“

DER BOTE: „Der Lordkanzel verlangte Euren Kopf – und fünfzig andre.“ (S. 80)

Freundbild:

-

Zivilbevölkerung:

Die Zivilbevölkerung wird als ein armes Gesindel präsentiert, häufig treten merkwürdige Individuen auf – ein Narr, ein Krüppel, ein Mörder u.a, was die verhängnisvollen Auswirkungen des Krieges auf das Volk betonen soll. Dargestellt wird v. a. das durch den Krieg verursachte soziale Elend, das die Menschen zum unmenschlichen und wahnsinnigen Verhalten zwingt. Das Einzige, was für die Leute eine Bedeutung hat, ist sich eigenes Überleben zu sichern. Eine starke Sehnsucht nach dem Frieden kommt zum Ausdruck.

Die Darstellung der Bevölkerung ist naturalistisch, die Figuren reden in einem Dialekt.

"(…Volk hockt herum: einige kauen Leder, andere essen Gras oder Baumrinde. Ein Weib keucht im Gebären.)

EIN ANDERES WEIB (zu ihr): „Nu ja, wenn dir der Bauch o zerplåtzt, - ‘s kimmt doch nischt anders raus wie a dreckiges, klee Gebindel Fleesch.“

EIN BESOFFENER ALTER (mit Soldatenmütze): „Wenns ma’s wingstens frassn kennde.“

EIN DRITTES WEIB: „Nu do friß ock ei dein vertreugtn, zusåmmngeschnurrtn Wånst nei, - verleichtert krepierste drån.“

DIE KREISSENDE: „O je je, - o jemersch, - nee wie’s mich reßt, - ju ju, - - wenn’s ock balde tut uf de Walt käm.“

EIN KRÜPPEL: „Drüben åm Puschrande, die aßn schun seit a pår Tagen bluß no dås, was se schun amo gegassn hån.“ (S.53-54)

Intertextualität:
Einstellung zum Krieg:

Für die Zivilbevölkerung ist der Krieg eine Katastrophe, die Hunger und Elend verursachte. Die Lage der Menschen während des Kriegszustandes wird als jämmerlich beschrieben, die Einstellung zum Krieg ist deutlich negativ. Im Vordergrund des Textes steht das Thema der menschlichen Beziehungen während des Krieges, die durch die Kriegsgeschehnisse zerfallen und auf ein bloßes Kampf um eigenes Überleben reduziert werden. Der Protagonist macht allerdings eine Entwicklung von einer Interesselosigkeit für die Anderen bis zum sich für die Anderen opfern.

Das Böse stellt der Kriegszustand selbst dar, an dessen Entstehung alleine der König schuld ist, gegen dem sich das Volk empört und eine Besserung der Lage bzw. den Frieden verlangt.

"DAS DRITTE WEIB: „König! – Sie haben mein Haus angezündet! – Sie haben meine Mädel totgemacht! – Meine Jungen verfaulen irgendwo!“

DER KÖNIG (wirft ihr Gold hin): „Da! – Such‘ dir ein Loch, wo du bleiben kannst!“

DAS DRITTE WEIB (läßt das Geld achtlos hinrollen): „Gib mir meine Kinder wieder!“

DER KÖNIG: „Weib, - bin ich denn Gott?!“

DAS DRITTE WEIB: „Ja so, den Krieg konntest du anfangen, - nun hör‘ ihn doch auf, - - ehe wir vollends verrecken.“

DER KÖNIG: „Ich kann nicht.“

DIE HEREINDRÄNGENDEN MENSCHEN (heulen auf): „Frieden! – Mach Frieden!“

DER KÖNIG: „Wenn ich’s könnte!“

DIE MENGE: „Er kann nicht! – (Rufe:) Frieden! – Waffenstillstand! – Hilf uns! – Wir halten’s nicht mehr aus! – Frieden! – Schlagt ihn doch tot! (Ein Arm aus der Menge gegen den König und ein Schrei) Mörder!!“ (S. 70-71)

Anhand von verschiedenen christlichen Symbolen stellt das Drama ein Gesamtbild des Kriegselends dar, das nur durch ein Opfer – einen Erlöser („einen neuen Jesus“) überwunden sein kann. Nach seinem Opfer soll dann ein neuer Welttag kommen und die Menschheit aus ihrer Qual gerettet werden.

Sinnangebote: