Der Puchner. Ein Grenzlandschicksal.

Titel:
Der Puchner. Ein Grenzlandschicksal.

Autor:

Wilhelm Pleyer ( 8. März 1901 in Eisenhammer, Bezirk Kralowitz in Böhmen - 14. Dezember 1974 in Starnberg in Bayern)
Politische Bedeutung:

Politisch engagiert - deutsch-nationale, völkische Orientierung; von 1926 bis 1933 Gaugeschäftsführer der Deutschen Nationalpartei; mehrfacher NS-Literaturpreisträger.

Seine nationalsozialistischen Ansichten sind stark durch seine sudetendeutsche Herkunft bestimmt.

Perspektive:
Kriegserlebnis:

 Nein

Vorkommen von autobiographischen Elementen im Text:

Der Text ist sehr stark autobiographisch geprägt: die Handlung spielt im Sudetenland (woher der Autor stammt), der Vater des Haupthelden (Georg Puchner) ist genauso wie der Vater Pleyers Hammerschmied von Beruf; die starke Neigung Georg Puchners zu seiner Mutter entspricht der engen Beziehung des Autors zu seiner Mutter. Der Protagonist des Romans vertritt offensichtlich die gleichen politischen Ansichten, die Pleyer selbst während seines Lebens gelobt und für die er plädiert hat – vor allem die nationalsozialistische Gesinnung.

Bibliographie

Der Puchner. Ein Grenzlandschicksal.
Erscheinungsjahr, Auflage:
1934, 1. Auflage
Verlag, Ort:
Albert Langen/Georg Müller, München
Seitenzahl:
368
Gattung:
Epik
Darstellungstyp:

 Repräsentationstyp

Paratexte:

 Widmung (an Barbara Pleyer, die Mutter des Autors), Vorwort

Struktur:

Formale Charakteristik des Werkes:

Autodiegetischer Ich-Erzähler (identisch mit Georg Puchner), feste interne Fokalisierung. An einigen Stellen wird die Erzählperspektive geändert. Der Roman besteht aus kürzeren Kapiteln (durchschnittlich 1-2 Seiten lang), die durch Überschriften eingeleitet werden (die im direkten Zusammenhang mit dem Inhalt des Kapitels stehen). Einzelne Kapitel werden zuweilen weiter in kürzere Abschnitte ohne Überschrift geteilt.

Eingliederung von Dokumenten / Medien / Bilder:

Ja – Lieder, Gebete, Gedichte zitiert, die meistens das Deutschtum verherrlichen. Manche davon sind mehrfach an verschiedenen Stellen in den Roman eingebettet.

Raum:

Geographischer Raum:

Die Handlung wird überwiegend ins Grenzgebiet eingesetzt – das Sudetenland ist die Heimat des Hauptprotagonisten (Kolletin in Böhmen) und spielt die zentrale Rolle. Das Sudetenland wird zum Thema, auch wenn es nicht der direkte Schauplatz ist. Weitere wichtige Orte, an denen die Geschichte spielt, sind Prag und das Deutsche Reich (Friedrichsruh, Berlin, Rügen, Hamburg, Helgoland u.a.), das als Georg Puchners „zweite Heimat“ bezeichnet werden kann. Am Ende des Romans befindet sich Georg Puchner im Gefängnis Bory bei Pilsen.

Umfang des Spielraumes:

 Hinterland (Grenzland)/Front (unbestimmt)

Zeit:

Die Geschichte beginnt im Jahr 1897. Später kommen externe Analepsen vor, die an einige wichtige historische Ereignisse (vor 1897) erinnern. Das Ende der Handlung lässt sich als das Jahr 1932 bestimmen.

Das genaue Datum wird durchlaufend explizit genannt.

„,Ich möchte in zwanzig Jahren wieder auf die Welt kommen und sehen, was aus Deutschland geworden ist.‘ Und Bismarck schlief ein, wie es nach so viel Arbeit das richtige war. Es geschah am 30. Juli 1898 um elf Uhr zur Nacht.“ [S. 13-14]

Darüber hinaus lässt es sich auch mit Hilfe von verschiedenen bekannten historischen Ereignissen bestimmen.

„Eines Tages, es war zu Peter und Paul und ein Montag, kam der Postbote in aller Frühe, als wir eben erst für die Kirche angezogen, und schwenkte von weitem eine Zeitung.

,Unser Thronfolger ist ermordet worden! In Sarajewo! Und seine Gemahlin auch!‘“ [S. 72]

Die zeitliche Orientierung im Text ist daher klar.

In dem Roman gibt es keine markanten Momente, wo die Zeit zum Thema wird oder als verlangsamt/beschleunigt empfunden wird. Die Erzählzeit ist meistens kürzer als die erzählte Zeit (Zeitraffung).

Fremdenbilder:

Feindbild:

Den tatsächlichen Feind stellen die Tschechen dar. Die verfeindeten Nationen werden in den Textstellen, wo der Krieg beschrieben wird, nicht verurteilt; Erwähnung finden bloß die Russen, derer emotionale Bewertung jedoch ausbleibt. Der Fokus des Textes liegt auf dem nationalem „Kampf“ der Sudetendeutschen und Tschechen. Der ganze Text verfolgt einen klaren Zweck, nämlich den Zusammenhalt der Sudetendeutschen zu proklamieren und eine Aufklärung der Deutschen im Reich über die Lage der Deutschen in dem Grenzgebiet zu Stande zu bringen; in den Kriegspassagen wird deswegen anderen Nationen und Ländern eine eher geringere Aufmerksamkeit gewidmet.

Freundbild:

Eine besondere Stellung nimmt der Protagonist Georg Puchner zu den Deutschen im Reich ein – im Unterschied zu den Grenzlanddeutschen sind sie der Verhältnisse in Grenzgebiet unkundig, kämpfen nicht für „Alldeutschland“, sie sind nicht engagiert und nicht eifrig; die Deutschen im Reich sind mit den Deutschen im Sudetenland keinesfalls zu verwechseln.  

Zivilbevölkerung:

Zivilbevölkerung wird eindeutig unterschieden, je nachdem, zu welcher Nation sie gehört – die Tschechen werden sehr negativ konnotiert, im Vergleich dazu werden die Sudetendeutschen als sehr anständige, tapfere Menschen dargestellt.

„...Und jedesmal waren die Tschechen nachgerückt. Sie drängten eroberungslustig in die deutsche Berge, unterstützt von ihrem nationalen Kapital, mit der gesammelten Kraft des kleinen, durch und durch politisierten Volkes.

Die Berge sind der Deutschen unbestrittenes Teil gewesen, als es galt, aus wilder Wurzel zu roden und den Fels zu sprengen um sein Erz. Als das geschehen, ging der Neid über den Dank, und heut wie je ist Boden und Bau den Deutschen bestritten. Stücklein für Stücklein wurde durchsetzt, überrumpelt, verfremdet.“ [S.18]

„Heute sagen sie: ,Wenn es euch hier nicht paßt, wandert aus ins Deutsche Reich!‘ Das fällt uns aber nicht ein. Wir haben ein gutes Recht hierzubleiben. Wir haben ein gar gutes Recht, auf die Tafeln der Geschichte zu pochen.

Es steht fest, daß im Laufe der Jahrhunderte weit mehr Deutsche vertschecht als Tschechen verdeutscht worden sind. Was als Germanisierung erscheinen könne, das waren habsburgische Zweckmäßigkeiten ohne nationale Absicht. Die Tschechen haben nur Nutzen von uns gehabt.“ [S.129]

„Der Gedanke, den gerade wir im Grenzland durchzusetzen haben, das ist der Schargedanke, unter der schwarzen Fahne mit dem Sternbild des Wagens, das unsere Herkunft und unseren Weg bezeichnet, wie es uns in den Schützengrabennächten bewußt geworden ist. Und unser Ziel ist eine neue, religiöse Ordnung Mitteleuropas unter deutscher Führung, unser Ziel ist Gottesdeutschland.“ [S.158]

Intertextualität:
Einstellung zum Krieg:

Der Krieg wird hier – genauso wie viele andere historische Ereignisse – auf die Beziehung und politische Lage der Sudetendeutschen und der Tschechen bezogen. Der erste Weltkrieg wird zum geschichtlichen Wendepunkt (die Gründung der tschechoslowakischen Republik) und bringt das schon genug verschärfte Zusammenleben der Deutschen und der Tschechen im Sudetenland zur Eskalation.

Der Protagonist Georg Puchner nimmt selbst nicht am Krieg teil, was er bereut, weil er dementsprechend nicht „dabei“ war und sich nicht für „etwas Höheres“ opfern konnte.

„Ich fühle es als meine Unzulänglichkeit, daß ich bloß hungerte und gar widerwillig das meine litt, während andere bluteten und ihr Leben zum Opfer brachten. Denn groß selbst über der Sinnlosigkeit der Opfer auf den Schlachtfeldern der habsburgischen Monarchie steht der ewige Sinn des Opfers, der die Lebenden verpflichtet.“ [S.79]

Trotzdem sind einige Kriegsszenen, die auf dem Kriegsfeld spielen, im Roman präsent. Der Erzähler kann dabei allerdings nicht ohne weiteres mit Georg Puchner identifiziert werden.

„Eine Birke wie dort eine Birke – darin die Vögel zwitschern – ja zwitschern – was zwitschert?? Kugeln, Russenkugeln von Komarov! Zu Tausenden sind die Moskali niedergemacht, zu Tausenden steigen sie braun aus der braunen Erde. Einen Graben halten sie noch, den letzen. Ein Graben hält sie noch, der letzte. Tausende von Kugeln begegnen einander. Da gellt der Hornist wieder durch das Getrommel, er gibt das Sturmsingnal.“ [S. 78]

Für den Text ist v. a. das Ende des Krieges – der Versailler Vertrag und der Zerfall Österreich-Ungarns – von Bedeutung, da dadurch die Hoffnung der Sudetendeutschen zerstört wird. Die Freude über das Ende des Krieges begegnet der Enttäuschung der Sudetendeutschen.

„Kaum hörte ich von der Möglichkeit des Friedens, als mein Magen gar ungeduldig zu schreien begann; Friede, das bedeutete Brot. Jedenfalls aber eine Änderung, und weil es uns sehr schlecht ging, glaubten wir, die Änderung könne nur eine Besserung sein. Nach vier Jahren Siegesgewißheit konnte ich mir eine Niederlage des Deutschen Reiches einfach nicht vorstellen; wovon unsereiner redete, das war ein sänftlicher Ausgleich zwischen Freund und Feind. Daß es mit der Bundesgenossenschaft des Kaisers Karl nicht mehr stimmte, das wußte man, und so hörte ich ohne bedauern, eher mit einem Schuß Neugierde und Erlebnislust, daß Kaiser Karl abgedankt und Österreich-Ungarn „seinen Völkern“ überlassen habe.

Aber eines Tages stand Pater Michael Marschner vor uns, und die Zeitung zitterte in seiner Hand, und er rang schwer nach Atem und nach einer Formel – und sagte, seit dem Untergange von Karthago sei noch nie einem Volke so Schweres aufgejocht worden wie diese Bedingungen der Feindmächte an das deutsche Volk.—

Am 28. Oktober riefen sie in Prag die tschechoslowakische Republik aus.“ [S.101-102]

„Im Kriege waren „Humanität und Demokratie“ die Parole gegen das alte Österreich. Seine Zertrümmerung verpflichtet zu besserem Bau. Nun aber fragt ihr allzuoft: „Im alten Österreich ist es ja auch nicht anders gewesen!“ – Demokratie ist mehr als Mehrheitsgrundsatz. Schon gar nicht kann sie der Grundsatz der Ungleichheit schaffen.“ [S. 270]

Viele sudetendeutsche Gebiete geraten unter die tschechoslowakische Herrschaft und die Rechte der Deutschen im Grenzland werden dadurch immer mehr eingeschränkt. Das unterstützt und steigert im wesentlichen Maße Georg Puchners nationalsozialistische Neigung zum Kampf für sein Vaterland.

Der Puchner ist offensichtlich ein Tendenzroman, der auf dem nationalsozialistischen Ideal einer gesamtdeutschen Volksgemeinschaft basiert. Der Protagonist ordnet seine persönlichen Interessen den Interessen der Grenzlanddeutschen unter.

Besonders die Rolle der Mutter wird stark hervorgehoben, die für Georg Puchner für die wichtigste Person seines Lebens darstellt. Die Mutter verkörpert das Nationalbewusstsein und religiöse Gehorsamkeit und damit das Ideal Georg Puchners.

Sinnangebote: